Acht Wochen Zeit und ein Guzzi-Gespann: Horst und Ulli fahren vom Bodensee in den Süden Frankreichs. Eine Reisereportage, die zum Nachfahren animiert.

Quer durch Frankreich

 

Vom See über Täler und Berge ans Meer

von Ulli und Horst Lampelmayer

Bestes Wetter in Dornbirn am Bodensee. Die Guzzi ist startklar und wir haben reichlich Zeit. Also starten wir unser Gespann Richtung Westen, der Süden Frankreichs ist unser Ziel. Durch die Schweiz bringt uns die Guzzi am ersten Tag bis Acquarossa, zu unserem ersten Campingplatz im Tessin.

Am nächsten Morgen geht es rechts am Ufer des Lago Maggiore entlang und dann auf schnellen Landstraßen durch das Piemont in die Po-Ebene. Bei Pontestura überqueren wir den Po – hier wird bereits Wein angebaut. Wir fahren in die Weinberge und finden in Moncalvo einen schönen „Agrotourismo“. Dort warten wir ab, bis sich die Schlechtwetterfront in den französischen Hautes Alpes verzieht.

 
Im Valle Varaita entdecken wir eine sagenhafte Passstraße über den 2744 Meter hohen Colle dell‘Agnello. Das hier ist Murmeltiergegend. Wir machen uns den Spaß, wer wohl das erste – und dann das nächste – niedliche Tierchen sieht. Durch den Parc Regional du Queyras fl iegen wir bis Ceillac zu einem hoch gelegenen Campingplatz. Auf der Route de Grand Alps bringt uns die tolle Fahrt über Guillestre entlang des Lac de serre Poncon bis Gap. Der Drang nach Westen treibt uns weiter.

Vom Grenzpass zwischen Italien und Frankreich, dem 2744 Meter hohen Coll dell‘ Agnello, bietet sich ein wunderbarer Ausblick.

Spektakuläre Straßenführung im Valle de Lot.

So lieben wir es: Ein Diner am Municipal Le Moutet in Ceillac.

Weiter Blick ins 50 Kilometer lange Valle Varaita im Piemont.

Durch das wuchtige Portal Saint-Laques in Cognac gelangen wir zur sehenswürdigen Altstadt.

Das feudale Chateau d‘Oyez im Departement Auvergne-Rhone-Alpes.

Über den Col de Cabre in den Auvergne-Rhone-Alps geht es an die Drome, ein Nebenfluss der Rhone. Dem wir bis zum Municipal in Die entlang folgen. Am nächsten Tag entern wir eine Straße, die an der Roanne entlangführt – sie bringt uns durch ein wild-romantisches Tal.

 
Leider haben wir die Hochsaison der Düfte verpasst: Vorbei an abgeernteten Lavendelfeldern auf den Col Lescau und dann hinunter über Bordeaux nach Montelimar, wo wir die Rhone queren. Weiter geht es bis an die Ardeche und wie immer suchen wir uns einen Municipal-Camping: Keine Fünf-Sterne-Plätze, aber sehr günstig und sauber.
 
Wir lieben das Campen nach wie vor, obwohl die alten Glieder schon etwas steif sind. Unser Tag beginnt immer mit einem feinen Frühstück mit vielen Leckereien aus der Region. Wir kochen zu Mittag, was wir frisch am Markt bekommen. Auch ein gutes Tröpfchen findet sich immer. Beim Kochen wechseln wir uns ab, da hat jeder seine Stärken. Was uns manchmal fehlt, ist ein Kühlschrank. Abendessen ist meist nicht so wichtig, weil wir oft im nahen Dorf in einer Bar oder der Campinggastronomie einkehren. 
 
So schön es hier an der Ardeche auch ist – wir sind auf Tour. Und so geht es weiter, flott den Fluss entlang bis auf den Col de la Chavade, wo er entspringt. Kurz vor Le Puy fahren wir links in eine kleine Straße durch eine wunderschöne Vulkanlandschaft. 
 
Ein weiterer Höhepunkt sind die Berge der Auvergne. Über den Col d’Entremont führt eine schmale Passstraße hinauf zum Pas de Peyrol, dem Col Redonet und weiter zum Col de Rombiere wo es dann hinunter und an der Jordanne entlang bis Aurillac geht. Dieser Streckenabschnitt ist kurvenreich und einfach nur wunderbar.
 
Wir erreichen den Fluss Lot und tauchen ins gleichnamige Tal, das Valle de Lot ein. Dies ist, wie auch der Fluss, einfach märchenhaft: durch uralte Dörfer, vorbei an Höhleneingängen, unter herausgehauenen oder herausgeschwemmten Felsvorsprüngen hindurch. Teils ist die Straße nur einspurig. Wir treffen auf kleine Märkte und wunderschön angelegte Gastgärten, die uns zum Verweilen einladen. Den Municipal in Fumel finden wir direkt am Lot.
 
Wir bleiben noch am Lot, bis er in die Garonne einmündet. Weiter durch den Park Naturel Regional in der Gascogne bis Bazas. Dort hält es uns etwas länger, bevor wir endlich die Cote d’Argent, die Silberküste, am Atlantik erreichen.
 
Nach elf Tagen und 850 Kilometern Gespanntour finden wir einen ganz besonderen Campingplatz: Er befindet sich in Porge-Ocean in einem Kiefernwald, hinter der zweiten Sanddüne. Klar, unser Tagesschnitt ist nicht gerade stressig. 
 
Aber wir ließen uns ja Zeit und blieben auf fast allen Campingplätzen zwei oder drei Nächte. So finden wir auch immer etwas Muße, um die Gegend zu erkunden und mit Franzosen zu reden. Das funktioniert ganz gut, auch ohne großartige Sprachkenntnisse. Wir wollen noch weiter, auf die nördlich gelegene Ile d’Oleron. Und so packen wir nach drei Übernachtungen und zwei Badetagen am Atlantik unsere Utensilien auf die Guzzi und fahren die Küste entlang. Durch Föhren-Schutzwälder geht es bis zur Fähre in le Verdon sur Mer, an der Mündung der Gironde. Die bringt uns in 30 Minuten nach Royan. Hier fahren wir entlang der Plage de Grande-Cote, schließlich über das Viaduc d‘Oleron auf die Insel. Diese „Mimoseninsel“ liegt im Atlantischen Ozean, im Golf von Biskaya und gehört damit zum wunderschönen Departement Charente-Martime.

Ruheplatz für die Streckenplanung der nächsten Tage auf dem Municipal im Städtchen Die.

Traditionelle Fischerhütten am Atlantik: Das Netz wird mit Hilfe einer Handkurbel aus dem Wasser gezogen.

Das Amphitheater Gallo-romainin in der Provinz Saintes de Saintonge.

Pittoreskes Chalet und nette Leute: Am Farm Camp in Bazas machten wir einige Tage Rast.

Die Versuchung ist groß, dass wir uns in den kleinen Läden an der Gironde mit völlig unnützem Zeug eindecken.

Die Côte d‘Argent (Silberküste) im Südwesten Frankreichs ist berühmt für die besondere Qualität des dort vorkommenden Sandes.

In St. Denis d‘OLeron finden wir einen angenehmen Campingplatz für 13 Euro. Unter einem Feigenbaum bauen wir unser Zelt für die nächsten drei Nächte auf. Zu einem wilden und schönen Sandstrand sind es 100 Meter, 400 Meter zum Hafen, wo es Kneipen und Restaurants gibt und ins Dorf, wo jeden Tag Markt ist. Also perfekt!
 
Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug zu einem nahen Leuchtturm, dem vor 186 Jahren gebauten Phare de Chassiron, einem der ältesten noch intakten Wegweiser der Meere von Frankreich. Den Abend verbringen wir im Hafen, wo wir uns Fisch, ich einen Barsch und Ulli eine Seezunge, leisten. Am Morgen wollen wir schwimmen gehen, aber wir haben nicht mit den Gezeiten gerechnet: Es ist Ebbe und wir staunen nicht schlecht, denn das Meer ist weit draußen. Der Gezeitentabelle entnehmen wir, dass die höchste Tide hier über fünf Meter beträgt. Barfuß wandern wir durch das Watt. 
 
Wir lernen, wie man Stabmuscheln fängt: Entdeckt man ein ganz kleines Loch, das kleiner ist als die vielen Wurmlöcher, kann es sein, dass darin eine wohnt. Nun streut man ein wenig Meersalz hinein, beziehungsweise in die Wasserlache darüber. Jetzt glaubt die Mu-schel, das Meer – und somit das Futter – ist zurück und kommt langsam heraus. Ist sie ein paar Zentimeter senkrecht an der Luft muss man schnell zupacken, bevor sie die Gefahr erkennt und sich zurückzieht. Festhalten und ganz langsam ziehen. An der Luft schließt sie sich und öffnet sich erst wieder auf der heißen Grillplatte. Nach drei Minuten ist sie mit ein paar Tropfen Zitrone gut essbar.
 
Dieses kleine Eiland möchten wir uns noch etwas anschauen und so fahren wir gemütlich rund um die Insel, halten Einkehr bei „Nos Fruits de Mer“, naschen natürlich Austern, Huitres Nr.3 und dazu ein Glas Pineau des Charente. Wir entdecken Austernfarmen und die Salinen von Grand-Village-Plage und genießen entspannt die Zeit.
 
Das Wetter ist nach wie vor traumhaft schön, nur in den frühen Morgenstunden spürt man den nahenden Herbst, es wird kühler. Und so tauschen wir für ein paar Tage das Zelt mit einer kleinen Wohnung. Über airbnb entdecken wir zwei Stunden nördlich von Bordeaux, in der Saintogne ein kleines Baumhaus in der Nähe von Saintes, in Chermignac. Und das war ein Glücksfall! 

Eine ganz besondere Atmosphäre beim Kochen am Baumhaus in Chermignac.

In zwei Metern Höhe, in den Bäumen inmitten einer wunderschönen Parkanlage, finden wir das 30 Quadratmeter große Baumhaus. Besitzer Pierre ist im Urlaub und so genießen wir die Anlage für zehn Tage ganz alleine mit seinen Hühnern und der Katze. Seine Schwester Sofia schaut ab und zu vorbei und holt die Eier aus dem Stall. Von ihr bekommen wir die Erlaubnis, alle Früchte und alles Gemüse, das hier angebaut ist, zu genießen: Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Feigen, Pfirsiche, Nüsse – die Bäume waren voll und alles war reif. Auch Gemüse wie Tomaten, Paprika, Aubergine, Zwiebeln, Kartoffeln, Kürbisse und Zucchini waren reichlich vorhanden. Zum Nachtisch Himbeeren und Erdbeeren.
 
Wir starten jeden zweiten Tag einen schönen Ausflug. So besuchen wir in Saintes in der Region Neu-Aquitanien das Amphitheater Gallo-Romain, bestaunen die gotische Architektur der Saint Peter‘s Cathedral of Saintes und die Altstadt. Dabei kommen wir natürlich an den schönen Gastgärten und Bars nicht vorbei. Außerdem geht es an die Gironde, wir schauen uns kleine Ortschaften wie Talmont, Port Maubert und Royan an der etwa 15 Kilometer breiten Trichtermündung der Gironde in den Atlantik an. Wir beobachteten, wie das Angeln der Garnelen mit Netzen bei den Carrelet-Hütten funktioniert. 
 
Selbstverständlich verbringen wir einen ganzen Tag in der Charente, in der kleinen Stadt Cognac und im umliegenden Weinbaugebiet. Dort wird auch die Pineau-Traube angebaut. Aus dieser Traube wird unter anderem Cognac hergestellt. Bei dessen Herstellung verdunsten Unmengen von Weinbrand und das gibt der Stadt ihren ganz besonderen Geruch, wie wir beim Besuch des Musee des Arts du Cognac erfahren.
 
Mit zwei alten Fahrrädern, die unter unserem Haus stehen, fahren wir ins Dorf. Eine Bäuerin lädt uns auf ihren Hof ein: Sie überrascht uns mit Pineau des Charentes, einem alkoholischen Getränk aus einer Mischung von unfermentiertem Traubenmost und Eau de vie de Cognac. Mit Cognac und Brot mit Paprika-Marmelade, Saucisses und Jambon saßen wir lange mit den beiden Altbauern, den Katzen und dem Federvieh unterm Tisch zusammen.
 
Die zehn Tage im Baumhaus vergehen wie im Flug. Bevor wir heimwärts starten, bedanken uns per WhatsApp bei Pierre und sind wieder on the road Richtung Osten. Erstes Ziel ist der Municipal Camping in Montmorillon, das Bücherdorf, am Fluss Gartempe. Beim Stadtrundgang entdecken wir einen Buchladen nach dem anderen und Handwerker-Ateliers, die alle mit der Buchbinderei zu tun haben.

 
Auf schönen Landstraßen mit wenig Verkehr fahren wir quer übers Land. Die Hauptreisezeit ist vorbei, das spüren und genießen wir im Verkehr und besonders auf den fast leeren Campingplätzen. Wieder bleiben wir jeweils zwei Nächte auf den Campingplätzen und haben so genügend Zeit auch den Geburtstag von Ulli zu feiern. 
 
Eine Zeit lang folgen wir dem Fluss Cher durch mäandernde Flusslandschaften und finden ein Plätzchen am Flussufer. In der Nähe von St. Amand, im Val de Loire, besuchen wir das schöne Chateau de Meillant der Bourbonen. Unsere Tour klingt bei Herbstwetter aus. Durch Laubgestöber und manchmal nassen Straßen erreichen wir nach acht Wochen wieder den Bodensee.

Reiseberichte von Horst & Ulli Lampelmayer erscheinen regelmäßig in der Zeitschrift Motorrad-Gespanne.