Eine Woche in den Reisfeldern des Piemont mit der „Grünen Mamba”. Horst und Ulli fahren mit ihrem Guzzi-Gespann kreuz und quer durch Italiens Poebene.
Fangobad zum Vatertag
Die Reisfelder des Piemont
von Ulli und Horst Lampelmayer
Um 10 Uhr starten wir in Dornbirn, fahren in Hohenems über die Grenze zur Schweizer
Autobahn und von da bis nach Chur. Hier verlassen wir sie und preschen im Bündner
Oberland dem Vorderrhein entlang, durch das schöne Surselva, bis Disentis/Muster. Ziel ist die Poebene mit ihren Reisefeldern.
Dienstag
Durch das Bündner Oberland fahrend biegen wir bei Disentis/Muster auf die tolle Passstraße durch das Val Medel zum Lukmanierpass. Es ist wenig Verkehr und so können wir die Fahrt zum Pass genießen. Kurz vor der 117 m hohen Staumauer des Lai da Sontga machen wir am munter gurgelnden Froda Bach einen Jausenstop. Noch ein paar Serpentinen und schon sind wir auf 1.920 m der Passhöhe des Lukmaniers.
Nun sind wir im Tessin und donnern durch das Vale di Blenio, das Tal der Sonne, hinunter bis Acquarossa und weiter am Talboden entlang des Brennobaches bis Biasca. Um den Verkehrsstau in Bellinzona zu vermeiden, fahren wir in Richtung Locarno den Bergfuß entlang bis Gondo. Hier queren wir auf die andere Seeseite und fahren die Uferstraße mit wenig Verkehr dem Lago Maggiore entlang bis Luino. Ein Stück weiter sind wir in Mercallo, wo wir für eine Nacht im Aquasole ein Zimmer beziehen.
Mittwoch
Heute queren wir einige Hauptstraßen, bevor wir in Gattinara in der Po Ebene ankommen. Jetzt kommen wir wieder zügiger, die Gashand steht auf 65 Grad, auf der P594 in Richtung Vercelli durch die ersten Reisfelder voran. Über Desna reisen wir nach Trino und hier sind wir am Po.
Bevor wir zu unserem Ziel in La Rocca sul Po gelangen, bleibe ich neben einem schattigen Gastgarten stehen. Ja, eine Guzzi findet hier natürlich immer ein Plätzchen. Bongiorno! Es sind nur noch wenige Tische frei und wir dürfen in der Mitte sitzen. "Mezzo litro di vino Rosso, per favore". "Tedesco"? "No, Austria" perfetto. Es geht nicht lange und der erste steht auf und geht zu unserer Mamba, grinst über den Zaun und ruft "Guarda un Guzzi". Und schon werden unsere wenigen italienischen Kenntnisse abgefragt. Ist doch toll hier im Land, wo nicht nur die Zitronen blühen.
Der halbe Liter ist bald getrunken und wir haben noch einen Termin mit unserer Vermieterin. Also starten wir und rauschen unter Gewinke los. Gleich geht es über den Po und in ein paar Serpentinen den Berg hinauf. Unsere Vermieterin ist noch nicht da, aber ihre Schwester braust nach ein paar Minuten daher. Sie lädt uns herzlich in das kleine Haus ihrer verstorbenen Eltern ein, zeigt uns alles im Haus und informiert uns über allerhand, wo wir etwas bekommen und was wir sehen sollen. Es gefällt uns hier. Von hier aus möchten wir zu kleinen Ausflügen starten.
Donnerstag
Ein Ziel sind die Reisfelder in der Po Ebene. Und zu deren Erkundungstour starten wir heute. In Desana wissen wir einen Reisbauern, der einen Hofladen betreibt. Nach dem Läuten an der Tür öffnet uns eine Frau, wir können eintreten und uns umschauen. Ulli ist da schnell fündig und füllt die Taschen mit verschiedenen Reis- und Nudelprodukten, die hier am Hof erzeugt werden.
Nun fahren wir aufs Geratewohl in die Weite der Reisfelder in der Lomellina. Die Lomellina ist die Landschaft im Norden Italiens in der nördlichen Po Ebene zwischen den Flüssen Po, Ticino und Sesia. Viele der Felder sind in gänzlich unterschiedlicher Wachstumsphase. Hie und da ist noch ein Traktor auf seinen riesigen, sehr schmalen Eisenrädern am trockenen Feld am Arbeiten, dann steht ein Feld unter Wasser, in einem anderen sprießen die Reispflanzen. Dazwischen wieder Flächen, auf denen Weichweizen in voller Reife steht und auch Granoturco, türkisches Korn, Mais, angebaut wird. Die Bewässerung funktioniert eigentlich recht einfach und ist sehr interessant.
Immer wieder bleiben wir stehen und beobachten die verschiedensten Vögel, die hier genügend Nahrung finden. Die schönste Entdeckung war eine Kolonie von Heiligen Ibissen. Ein großer Vogel auf langen Beinen, mit schwarzem Kopf und Hinterteil und einem langen, schwarzen, gekrümmten Schnabel. Wir entdecken auf unserer gemütlichen Tour auch Brachvögel, Schnepfen, Kuhreiher, Störche, aber auch Falken, Krähen und Rotmilane. Das Schnurren unserer Mamba stört diese Tiere kaum. Nur wenn ich stehen bleibe hüpfen oder fliegen sie ein paar Meter weiter weg. Hier wird unser Gerät wohl als Traktor angeschaut.
Auf einem Damm sitzt ein Mann neben seinem uralten Fahrrad mit einer langen Fischerrute, also gibt es auch Fische in den Kanälen. Ja, woher kommt denn das viele Wasser? Das meiste kommt vom Po. Bei Chivasso wird Wasser in einen Kanal, den Canale Cavour, abgeleitet. Dieser Kanal mit einer Länge von 85 km ist am oberen Rand der Po Ebene bis Galliate angelegt und verbindet den Po mit dem Fluss Ticino und ist somit ideal zur Bewässerung des riesigen Gebietes.
Beim Naturpark Bosco di Partecipanza den wir nur von außen anschauen können, ist die
Vielfalt der Flora und Fauna besonders groß.
In der kleinen Ortschaft Lamporo entdecken wir eine Bar/Restaurante. Hier kehren wir zu und bekommen das Menue del Giorno. Dasselbe essen auch die Arbeiter. Natürlich ist unser Guzzi-Gespann Thema, aber so nebenbei erfahren wir auch Interessantes über diese Gegend. So fürchtet man sich hier nicht vor eventuellen Hochwassern des Po. Er ist hier mehr Segen. So wird er auch oft besungen. Bio Reis wird hier in der westlichen Lomellina nicht angebaut, der sauberes Wasser braucht. Das bekommen die Bauern eher im Nordosten von wilden Bergbächen wie der Sesia aus dem Monte Rosa Gebirge.
Freitag
Heute geht es in die andere Richtung, in Casale Monferato ist ein Wochenmarkt. Über Piazza fahren wir in den ziemlich bewaldeten Hügeln dem Po entlang südwärts. Die Straßen sind toll zu befahren, wir genießen die herrliche Landschaft bergauf und ab. Manchmal steht am Straßenrand eine Hinweistafel, auf der "FANGO" steht. Erst Stunden später werden wir erfahren, was das bedeutet. Den Markt finden wir beim Castello di Casale. Unser Gespann stellen wir bei den ersten Marktständen unversperrt, wie immer in Italien, ab. Es ist schwül und heiß, und so suchen wir unter den Vordächern der etwa 200 Marktstände den Schatten.
Ich komme natürlich nicht umhin, ein Stück Parmesan und zwei anmachige Salami zu kaufen. Ulli genießt die Farbenpracht der Obst- und Gemüsestände. Später sitzen wir in einem Weingarten bei einem Glas Vino Bianco. Nun wandern wir noch ein bisschen in die Stadt zum Teatro Municipale, weiter in einem Bogen zurück zum Palazzo Vitta und zur Church of St. Catherine. So erreichen wir nach einer Stunde wieder den Markt und am Ende unser Motorrad. Es ziehen schwarze Gewitterwolken daher. Auf geht's! In Castello habe ich zu tanken versäumt, deshalb muss ich bald auf Reserve schalten. Der Regen spielt keine Rolle, aber der Sprit geht zur Neige. Rechtzeitig finde ich noch eine Zapfsäule. In Italien ist die Tankstellendichte über Land nicht gerade üppig. Jetzt beginnt es zu regnen und schnell ist ein starkes Gewitter über uns. Ulli verkriecht sich im Schneckenhaus und ich zwänge mich in die Regenhaut, weiter geht es.
Die Sicht wird schlecht, die ersten Autos bleiben stehen. Auch ich muss rechts ran. Nach 10 Minuten geht es wieder. Plötzlich verwandelt sich die Straße in einen braunen See. Langsam fahre ich hinein, kann aber die Straßenseite und das Ende nicht erkennen. Das Wasser kommt von den Hügeln, aus den Äckern und bringt Schlamm mit. Ahh, daher die Warnschilder "Fango"! Die braune Sauce steht 15 cm tief und spritzt über uns hinweg. Diese Szene erleben wir viermal. Es geht alles gut, auch unsere Maschine stottert nicht. Sie schnurrt brav durch dieses Unwetter. Fotos lassen sich in dieser Situation keine machen. Am Abend sind wir zuhause und das Gewitter hat sich verzogen.
Samstag
Samstag ist's und wir treten die Heimreise an. Über Trino fahren wir wieder in das Reisgebiet in Richtung Ivrea und weiter nach Biella. Auf einer wie für uns zugeschnittene Strecke preschen wir durch das Vorgebirge des Monte Rosa über Valle Mosso nach Borgosesia im Valsesia. Hier meistern wir noch einen Bergrücken und fahren die letzten schönen Kurven hinunter zum Lago d' Orta. Über kleine Weiler geht es nun am westlichen Ufer entlang bis Omegna. In einem Gastgarten am See genießen wir eine wohlverdiente Pause, bevor wir für heute die letzten Kilometer in Angriff nehmen. Kurz vor Verbania treffen wir auf den Langensee, den Lago Maggiore. Der Verkehr hält sich auch hier dem See entlang in Grenzen
Sonntag
Im Plan haben wir, heute Sonntag über den Berninapass zu fahren. Aber schon bald sehen wir dass der Rückreiseverkehr enorm ist. So entschließen wir uns, auch zurück durch das Valle di Blenio über den Lukmanier zu reisen. Die Entscheidung war richtig. Auch durch das Surselva Tal haben wir keinen Verkehr bis Chur. So können wir auch die weitere Fahrt über die Dörfer im Schweizer Rheinland genießen und kommen zum Grillfest bei Nina gerade rechtzeitig, um die Vatertagstorte anzuschneiden.