Motorradtour Elsass, Vogesen, Ardennen, Schwarzwald
Zwei Guzzisti auf Hochzeitsreise
Text & Fotos:
Gernot Stadler
Traugott Schneidtinger
Wenn Neffe Simon zur Hochzeit mit seiner Marie nach Belgien ruft, ist es Ehre, Pflicht und Freude zugleich, die Motorräder aus dem Stall zu holen – diesmal sind es die schneeweisse Kati aus Mattighofen, die gerne etwas viel trinkt und das ziemlich hitzige rote Luder aus Mandello, die von Traugott und Gernot gesattelt werden. 1.827,5 Kilometer später können wir berichten: über heiße Autobahnen, endlose Kurven, schattige Alleen, massenhaft Soldatengräber, exklusive Hoteltipps und vier schöne Tage „on the road again” durch die Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Deutschland und Österreich. Und für alle, die sich fragen warum Oberguzzista Traugott mit Kati statt Cali unterwegs ist: erstere wurde ihm von seinem Arzt oder Apotheker wegen der langen Tagesetappen therapeutisch empfohlen.
Eine Motorradtour über 1.800 Kilometer in 4 Fahrtagen führte zwei Guzzisti durch traumhafte Reviere
Den langen Weg nach Belgien beginnen Traugott mit seiner KTM 990 Adventure und Gernot mit der Moto Guzzi V85TT standesgemäß über den Stoß nach Appenzell – ein paar Kurven zum Aufwärmen, bevor es auf die 200 langweiligen Kilometer Autobahn von St. Gallen nach Basel geht. Ab Mühlhausen nehmen wir die Route über chillige Landstraßen nach Munster, wo wir dann in die Vogesen eintauchen. Die endlosen Wälder spenden ein wenig Schatten und wir lernen interessante Untergründe kennen: Gummischlangen, Rollsplitt, Schlaglöcher … Hoch konzentriert lassen wir es über den Grand Ballon in Richtung Norden durch die östlichen Vogesen krachen, bis wir schließlich ziemlich schwindelig vom Kurventanz in Saarburg landen. Nach knapp 500 km wollen wir unsere müden Häupter zum Schlaf betten – dazu haben wir uns standesgemäß im Konvent des Hl. Ulrich eingeschrieben. Wasser gibts dort genügend, aber leider kein Brot und Wein schon gar nicht – denn das naheliegende Restaurant hat leider interessante Öffnungszeiten (So, Mo, Di, Mi, Do geschlossen) – und so müssen wir nochmals für ein paar Kilometer kurzbehost auf die Pferde steigen, um schließlich doch noch die einheimische „Torte de Flamme” zu genießen.
Kaffeepause bei Munster, kurz vor der Kurvenhatz durch die Vogesen
Großer Belchen, der höchste Berg in den Vogesen
Nationaldenkmal auf dem Schlachtfeld bei Hartmannswillerkopf
Endstation Couvent de Saint-Ulrich bei Sarrebourg nach 500 km
Und nochmals 4 km zum letzten Abendmahl des Tages
Am Tag zwei unserer „Hochzeitsreise” machen wir bei Verdun Halt, auf dessen Schlachtfeldern im 1. Weltkrieg in 300 Tagen über 300.000 Soldaten starben. Wir besichtigen das Beinhaus von Douaumont, das inmitten von tausenden weissen Kreuzen steht und nehmen uns die Zeit für den Film über diesen absurden Wahnsinn, der sich soeben in Europa wiederholt. „Nein, wir haben nichts gelernt”, sagen wir übereinstimmend und fahren nachdenklich durch die endlosen Felder mit ihren Strohrädern, die vor zwei Generationen durch die Panzer aufgerissen wurden. Die endlose Straße, die in großen Wellen schnurgerade die Landschaft teilt, das langsam immer flachere Sommerlicht und das gleichmäßige Bollern der V2 Motoren bringt uns wieder in eine friedliche Stimmung, die sich noch mehr aufhellt, als wir bei Sedan in das Maas-Tal eintauchen. Ähnlich der Wachau ändern sich plötzlich Landschaft und das Leben der Leute, das jetzt ganz auf den Fluss ausgerichtet ist: Anlegestellen für Flussschiffe, ehemalige Treidelpfade, Fähr- und Anlegestellen, Brücken – und immer wieder alte Burgen, von denen einst die Zölle der Schiffer eingehoben wurden. Bei Givet queren wir die Grenze nach Belgien und werfen nach den 390 Kilometern des Tages unsere Anker im „Château de la Poste”, einem wunderbaren Hotel 18 km südlich von Namur. Den Abend verbringen wir mit Familie und Freunden, und am kommenden Tag genießen wir die legendäre belgische Gastfreundschaft anläßlich der Hochzeit meines Neffen Simon, der mit seiner Marie eine ausgezeichnete Wahl getroffen hat. Wie es sich für Biker in fortgeschrittenem Alter geziemt, verabschieden wir uns eher früh und genießen nochmals das spektakuläre Château.
Hügel rauf, Hügel runter: klassischer französischer Landstraßentraum
Das Beinhaus von Douaumont bei Verdun
Weiter geht´s über sanfte Hügel und durch vergessene Dörfer
Kati, das Kraftwerk aus Mattighofen
Grenzübergang im Tal der Maas bei Hastière
Hoteltipp 18 km südlich von Namur: Chateau de la Poste, Assesse s
Am Morgen des vierten Tages herrscht allgemeine Aufbruchstimmung unter den Hochzeitsgästen, und um Punkt elf darf dann der 6-jährige Oskar endlich den Startknopf meiner Guzzi drücken – wir machen uns auf den langen Weg nachhause. Erst trödeln wir durch das bereits bekannte Maas-Tal zwischen Givet und Monthermé, stärken uns mit der klassischen belgischen Spezialität (Pommes Frites), bevor wir dann östlich die Autobahn durch Luxemburg nehmen und erst bei Pirmasens wieder auf die Landstraße wechseln. In Luxemburg plündern wir noch Traugotts Kühlschrank mit Vorarlberger Landjägern und Schnifner Bergkäse, was auch die Wespen auf den Plan ruft. Wir sitzen schon seit mehr als sieben Stunden im Sattel und wollen eigentlich noch hundert Kilometer bis Baden-Baden durchhalten. Aber unsere Hälse werden bei Ortsdurchfahrten unbewusst immer länger, um die unwiderstehlichen Küchendüfte zu inhalieren. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, dass wir gegen 20:00 schwach werden und uns im Schlosshotel „Bad Bergzaberner Hof” vorzeitig den lukullischen Genüssen ergeben – das Bier rinnt wie Honig durch die staubigen Kehlen, der Flammkuchen ist fantastisch und der Preis für das Einzelzimmer mit Frühstück um 78,- EUR lässt uns mit einem glücklichen Lächeln atemlos durch die Nach gleiten.
Kurz vor Monthermé im malerischen Tal der Maas
Für die Fische – ein holländisches Fototalent porträtiert uns
Zurück in Deutschland verstehen wir auch die Namen wieder
Empfehlung: Schlosshotel und Restaurant Bergzaberner Hof
Am letzten Sonnenmorgen dieser Motorrad-Tour schaffen wir es bereits um 10:00 auf die Piste. Über Landstraßen nach Baden-Baden tauchen wir schon bald in den Schwarzwald ein. Die Höhenstraße B500 präsentiert sich im Bestzustand: wenig Verkehr, keine Streckenposten, bestes Licht. Dennoch biegen wir nach Oppenau ab und toben uns durch das Peterstal aus. Doppelte Leitplanken, Rennasphalt, enge und weite Kurven – für kurze Zeit drehen wir ziemlich kräftig am Gasgriff. Vor Rottweil lassen wir das mit den Kurven, machen eine letzte Pause auf der Wiese und schwenken dann auf die Autobahn. Bei 29° C hecheln wir Richtung Bodensee, meine Guzzi klingelt bei über 140° Öltemperatur und jammert erbärmlich bei 150 km/h, während Traugotts Kati mit Halbgas kichernd vor sich hinsäuft. Die Bundesstraße entlang des Bodensees ist am späten Montag Nachmittag nicht wirklich ein Geheimtipp – eine endlose Schlange von LKW, Wohnmobilen und SUVs staut sich mühsam bei brütender Hitze Richtung Lindau – wir fahren defensiv und zehren von unseren Erinnerung an die Biker-Paradiese der letzten Tage. So landen wir gesund in der Rankweiler Werkstatt und schütten das traditionelle kleine Heimkehrbier mit großer Freude in uns hinein. Zuhause blockiert meine Lisi mit einem Willkommens-Sitzstreik die Straße, und nein, ich habe sie nicht überfahren ...
Motomania für Feinschmecker: die Schwarzwald Höhenstraße B 500
Schattige Allee auf dem Weg nach Baden-Baden
Perfekter Rennasphalt: Bad Peterstal im Schwarzwald
Zuhause, Teil 1 – das klassische kleine Bier in der Werkstatt Rankweil
Zuhause, Teil 2 – Wildwechsel oder Sitzstreik?
... und zum Schluss noch ein paar Video-Impressionen (1:39 min)
Hier erscheint ein Inhalt von einem Dritt-Anbieter (z.b. Youtube.com, ...).
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