Der Herbst des Lebens zieht ins Land, die Tage werden kürzer, die Schatten länger. Es ist hoch an der Zeit, sich noch einmal auf den Weg zu machen. Spannende Menschen treffen. Über Wunder staunen, die da draußen auf den warten, der sie sehen mag. Auf unserer Reise zu uns selbst pilgern wir dieses Mal nach Santiago de Compostela, fahren ans Ende der Welt und treffen den Ritter von der traurigen Gestalt, bevor wir über Porto, Madrid und Barcelona wieder nach Hause fahren.
Camino de Santiago, Porto, Madrid, Barcelona
Die Reise ans Ende der Welt. Und zurück
von und mit Traugott Schneidtinger & Gernot Stadler
Zwei ziemlich beste Freunde satteln ihre Motorräder, eine wunderschöne KTM 990 Adventure und die geniale Moto Guzzi V85TT. Der eine sucht eine Reise durch Zeit und Raum, der andere sucht sich selbst und gemeinsam finden sie auf über 5.500 Kilometern vergessene Plätze, einsame Strände, leere Straßen, heiße Sierras und buntes Leben in den Städten. Und sie lernen, was es heisst: „Vida la viva!”
Der kalte Hauch des Mont-Blanc bei Chamonix
Tag 1: Feldkirch – Schweiz – Flumet (F), 477 km
Das Ende vom Anfang einer Reise?
Es ist ein schöner Donnerstag morgen anfangs Juni und ich warte seit Stunden darauf, dass es endlich los geht. Die Guzzi hab ich schon am Vorabend gepackt, getankt und in den Wind gestellt, bereit zum Abheben. Es ist Punkt 9:00 Uhr, als fernes Grollen die KTM meines Reisepartners ankündigt. Ich will Traugott begrüßen, stehe auf und wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft mich ein Schwindel, der mir die Beine wegzieht. War es das jetzt mit der dreiwöchigen Spanien-Tour – das Ende vom Anfang einer Reise?
Gut sieben Stunden und 510 Kilometer später suchen wir Schutz vor dem Regen im kleinen, ziemlich vergessenen Ort Flumet bei Albertville in den französischen Savoyen. Wir haben die Schweiz auf dem schnellsten Weg durchquert. Bei St. Gallen wurden wir von einem Streckenposten höflich aufgeklärt, dass „public brünzla” auf öffentlichen Raststätten nächstes Mal mit sattem Bußgeld belegt werden wird. Auf einem Parkplatz bei Aarau haben wir zwei Australier aus Österreich (Aussi Austrians) getroffen, auf dem Weg zum „Surfen nach Biarritz”, sagt der Sohn (55) „zu den beach girls”, lacht der Vater (ca. 80). Meinen Schwindel habe ich zuhause gelassen, nur die ersten Kilometer waren ein wenig unsicher, und den Tempomat meiner V85TT benutze ich sicherheitshalber heute lieber nicht.
In Montreux haben wir uns kurz am Genfer See erfreut und sind dann bei Martigny über die Douane Le Châtelard nach Frankreich eingereist. Seit wir auf der D1506 den eisigen Atem des Mont Blanc gespürt und später Chamonix passiert haben, halten wir nach offenen Hotels zu leistbaren Preisen Ausschau – ohne Erfolg. Auch in Megève ist touristisch tote Hose, und langsam werde ich nervös.
Es ist bereits 19:00 Uhr, 90 km nach Martigny, der Himmel steht kurz vor einem Weinkrampf, als wir durch Flumet fahren. Und es ist Traugott, der sich daran erinnert, in dem Haus an der Kurve durchs Centre-Ville bereits einmal gewohnt zu haben. Er klingelt bei Madame und überzeugt sie, uns zwei Zimmer außerhalb der Saison herzurichten. Bedingung: kein Frühstück und Check-Out vor 09:00 Uhr morgens. Als sie uns dann zwei Bier spendiert, beginnt es draußen zu schütten und vor lauter Mitleid fährt uns Madame mit dem Auto die 100 Meter ins nächste und einzige Restaurant weit und breit. Mit letztem Einsatz kratzen wir unseren überschaubaren französischen Sprachschatz für den kulinarischen Tageshöhepunkt zusammen, weil die Küchenchefin spricht „pas d´anglais” und deutsch schon überhaupt gar nicht. Egal, wir feiern den ersten Tag unserer Reise, während es draußen vor der Tür sogenannte „Krota hagelt” (Anm: Wassertropfen, groß wie Kröten).
„Wasser marsch” zwischen Jumeaux und St. Flour
Tag 2: Flumet – Albertville – St. Flour, 406 km
Verfluchter Regen – oder: nix ist wasserdicht.
Köstliches Frühstück in Albertville nach fahrerisch knackigem Auftakt durch die Schlucht der Gummischlangen. Wir beschließen ohne Gegenstimme, den schnellsten Weg via Lyon nach Saint-Étienne auf der Autobahn zu nehmen. Bei Firminy wollen wir dann über die N88 so weit wie möglich nach Westen, solange es das Wetter zulässt.
Noch scheint die Sonne über traumhaften Nebenstraßen mit so klingenden Namen wie D104, D205 und ihre hübsche Schwester D33. Schwarzer Tour-de-France Asphalt, null Verkehr, nur ein paar Kühe am Wegesrand, ein paar Häuser, ein paar winkende Franzosen, die den Wegesrand mit Liebe pflegen – vermutlich für die Tour der Leiden später in diesem Sommer. Bei Jumeaux kratzen wir die Kurve auf die D909, die nach Süden führt. Und fahren direkt in den Regen – die Wolke von gestern hat uns wieder gefunden und weint vor Freude.
Seit 40 km irren wir jetzt im Starkregen herum und ich verfluche die angeblich wasserdichten Handschuhe von Held, die vermeintlich wasserdichten Stiefel von Vanucchi und den M1 Dreckshelm von Schuberth an dessen Visier das Wasser auch innen fröhlich runter mäandert und dem Fahrer deshalb komplett die Sicht raubt. Im kleinen Ort St. Flour ankern wir im Hotel „Du Pont-Vieux”, dessen Wirt selber 15 Motorräder herumstehen hat, in einer Garage, die er unseren Bikes für die Nacht anbietet. Die Reiter dürfen ihr Gepäck standesgemäß in den mittelalterlichen Wohnturm schleppen, glücklich über ein einfaches aber trockenen Plätzchen.
An der Bar palavern wir spontan mit einem einsamen Biker aus Luxemburg und engagieren ihn als Dolmetscher zum Diner. Er ist mit seiner BMW auf einem geführten Offroad-Trip und hat sich für den Moment von seiner Gruppe entfernt, die sich anscheinend schon am ersten Tag hart an der Grenze zum Scheitern bewegt. Dem Investment-Banker gefällt es mit fortschreitendem Abend immer besser in unserer Gesellschaft, und gemeinsam machen wir uns noch auf eine Wanderung durch die Unterstadt über die malerische Brücke aus dem 15. Jhdt. Oben auf dem Hügel thront die befestigte mittelalterliche Oberstadt, der wir morgen noch einen Besuch abstatten wollen.
Weites Land: die Region Auvergne-Rhône-Alpes
Tag 3: St. Flour – Gaillac – St. Girons, 406 km
Die Leichtigkeit des Seins
Neuer Tag, neues Glück. Ersterer beginnt mit einem guten Frühstück beim Brückenwärter, dessen Familie seit vielen Generationen die alte Poststation betreibt. Dem Luxemburger Off-Roader und seiner Gummikuh viel Vergnügen für den 2. Tag seiner Tour. Bis vor kurzem hat es noch stark geregnet und das dürfte für ihn und seinen schweren Boxerbomber eine ziemliche matschige Angelegenheit werden. Mit dem Besuch der Oberstadt mit der gotischen Kathedrale Saint-Pierre starten wir in den Tag. Das Ziel für heute liegt 400 km südlich, am Fuss der Pyrenäen.
Und mit einem Schnitt von ø 67 km/h tanzen Kathie und Guzzi durch die mittelalterliche Auvergne: Chateau links, Chateau rechts, explodierende Farben – tief schwarzer Asphalt, tiefgrünes Wald- & Wiesengrün, tiefblauer Himmel vor uns und tiefschwarze Wolkentürme hinter uns. Auf der N122 nach Aurillac matchen sich die Bikes um den perfekten Strich auf dem Asphalt, auf der D922 gehen sich dann erstmals volle Schräglagen bei 120 km/h aus – wir fliegen, mit anderen Worten: Pilgern auf höchstem Niveau!
Erstmals auf dieser Reise tauchen wir ein in die Leichtigkeit des Seins: Traugott greift bei einer Kaffeepause wie gewohnt zur Zeitung und verliert sich gedankenverloren auf der Titelseite – er hat völlig vergessen, dass er sprachlich noch gar nicht soweit ist. Ich mach mir derweilen Gedanken über das schöne Land mit seinen guten Autofahrern: Motorräder sind hier keine Gegner wie bei uns. Selbst ältere Damen und Mercedes-Fahrer sehen unsere Motorräder sofort im Rückspiegel und fahren möglichst rechts, um uns passieren zu lassen. Die Gallier bleiben auch höflich, wenn man ihnen direkt an der Rue de Fromage in rudimentärem französisch Schnifner Bergkäse mit Landjäger und Lustenauer Senf anbietet – so geschehen in einem Park in Villefranche-de-Rouergue.
Weiter geht es nach Gaillac, dem Hauptort eines der ältesten Weinbaugebiete Frankreichs. Der Plan ist, auf Seitenstraßen an Toulouse vorbei bis nach Saint-Girons am Fuss der Pyrenäen zu fliegen. Aber wieder stemmt sich die schwarze, von Blitzen durchsetzte Wand direkt vor uns dagegen. Also wieder Autobahn und dann, als das Epizentrum immer näher rückt, runter von der Schnellstraße, um das Donnerwetter über Seitenstraßen großräumig zu umschiffen. 20 Kilometer hoppeln wir über wenig befestigte Feldwege durch Gegenden, in denen sich Fuchs und Hase ein kräftiges „Bon nuit” zurufen.
Mehrmals entkommen wir der Unwetterfront nur um wenige hundert Meter. So geht es bis nach Lorp bei St. Girons, wo sich das „Logis Hôtel Horizon 117” mit all seinen zwei Sternen um zwei durchschwitzte Biker kümmert – ein Stern für jeden. Wir haben ein weiteres Mal trocken unser Ziel erreicht, verneigen uns vor dem exzellenten Wein aus Gaillac und auch unser französisch wird immer besser: wir übersetzen den Begriff „Menü marché” (Tagesmenü) virtuos mit „Essen auf Rädern” und lachen uns beinahe krank, als der Kellner mit einem Servierwagen voller lokaler Köstlichkeiten erscheint. Savoir vivre!
Königsetappe: Tourmalet bei Starkregen und 4°C
Tag 4: St. Girons, Pyrenäen, Lourdes, Pau, 370 km
„La grande course” – oder: Gorillas im Nebel
Der Tag beginnt mit Moped waschen und einem großen Fragezeichen: wieviele Pyrenäen-Pässe wird das Wetter zulassen? Der erste nennt sich Col de Portet-d'Aspet und dient mit seinen 1.069 m zum Aufwärmen der Öhlins Federbeine. Auch die ersten Pilger traben mit ihrem besonderen Schritt-Rhythmus und gedanklich im Tunnel über den gefährlichen Pass. Wie gefährlich, das zeigt die Passhöhe, auf der Traugott beim Fotografieren von einem echten Pyrenäenwolf angefallen wird. Nur mein mutiges Eingreifen und jede Menge Streicheleinheiten können das Raubtier besänftigen – übrigens ein Hirtenhund und kein Wolf.
Der nächste TdF Klassiker, Col de Peyresourde, markiert auf 1.563 m die Trennung zwischen den Departements Hautes-Pyrénées und Haute-Garonne. Mit seinem satten Grün über der Baumgrenze versetzt er uns nach Irland und die geniale Streckenführung lädt zu forscher Gangart ein. Die Motoren werden zunehmend lauter, weil es angesichts des dunkelgrauen Himmels Eile angesagt ist. Ob wir es bis zum 4. Pass trocken schaffen werden? Nein.
Mittlerweile im Regenzeug räubern wir den Col de Aspin hinauf. Beim Anziehen der Regenjacke haben zwei französische Gummikühe zu uns aufgeschlossen. Sie machen gehörig Druck auf uns, aber alles, was wir auf den kurzen Gerade verlieren, holen wir uns in den Kurven zurück. So geht es die knapp 15 km, meine Guzzi läuft längst schon im Sport-Modus und Traugotts Kathi wird auch endlich mal gefordert. Irgendwann dann schießen wir über die Passhöhe und steigen voll in die Eisen, um nicht die Kühe auf der Straße abzuschießen. Ihre bayrischen Schwestern mit ihren französischen Knechten bleiben auch stehen, und wir klatschen alle begeistert ab. „Grande course” zollen uns die Franzosen lachend ihren Respekt und gemeinsam führen wir so etwas ähnliches wie einen Regentanz auf dem Gipfel des Aspin auf – „Gorilles dans la brume” – Gorillas im Nebel – wie wir Franzosen sagen.
30 Kilometer später an der östlichen Auffahrt des Col du Tourmalet: entweder haben wir eine Straßensperre übersehen oder es ist normal, dass Motorräder inmitten eines Radrennens auf den höchsten französischen Pyrenäen-Pass brettern. 200 Franzosen, jung und alt, aber auf jeden Fall topfit, strampeln die Tour de France Königsetappe auf 2.115 m hinauf. Alle locker, mit einem verschwommenen Lächeln im Gesicht und dünnem Trikot um den Bauch. Bei strömendem Regen und Nebel. Schemenhafte Gestalten am Wegesrand, und je höher es wird, umso kälter wird es, der Regen wechselt in Graupelschauer, später leichten Hagel. Der Kaffee auf dem Pass vertreibt nur langsam die Kälte, die jetzt bei 4°C angelangt ist. Uns wird der Tourmalet aber immer in Erinnerung bleiben: als echtes Abenteuer. Denn auch die gefährliche Abfahrt zwischen den Radrennfahrern verlangt höchste Konzentration. Wenigstens wird es langsam wieder wärmer ...
Der Tourmalet ist Geschichte, der Regen nicht. Und weil wir langsam auf ein Wunder hoffen, fahren wir direkt nach Lourdes – und landen vom Regen in der Traufe. Was sich rund um einen der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte weltweit abspielt ist ein Spektakel sondergleichen: Pharisäer haben ihre scheinheiligen Devotionalenläden aufgebaut. Wohl oder übel müssen Gesunde und Kranke auf Rollstühlen diese ausufernden Einkaufsstraßen passieren bevor sie in den heiligen Bezirk gelangen. Ein goldener Tempel lockt mit durchdringendem Geläute nach Silberlingen.
Erscheinungen jeglicher Art bleiben aus, die einzigen Wunder erleben die Pharisäer, die sich dumm und dämlich verdienen. Bei allem Respekt vor den tausenden Gläubigen an diesem spirituellen von Millionen besuchten Ort der Verehrung: unser Freund mit den langen Haaren und den tiefen Wunden würde sich angesichts dieses Kommerzdramas im Grab umdrehen, hätte er es nicht bereits vor über 2.000 Jahren verlassen. Unser traditionelles Landjäger-Bergkäse-Senf-Ritual zelebrieren wir am Rande eines zwielichtigen Flohmarkts mit verhärmten Menschen.
40 nasse Kilometer schleppen wir uns noch bis Pau – da Pamplona zulasten von Biarritz auf unserem Routenplaner gestrichen wurde. Einstimmig. Die Temperatur hat sich vom Kühlschrank wieder auf 27° C erholt – die Regenkombi nässt inzwischen an vielen Stellen und vor dem „Hotel Ibis” in Pau fallen wir dann beide fast vom Pferd.
Schöner Wohnen: Strandhotel in Comillas
Tag 5: Pau - Biarritz - Bilbao - Santander - Comillas
Meeresrauschen im Nirwana
Pau, „Hotel Ibis”. Frühstück. Autobahn. Biarritz. La mer. Café au lait. Wir stehen am Strand mitten in Biarritz. Ein einsamer Schläfer liegt ausgepowert vom Nachtleben wie tot im Sand. Zwei Gays sitzen auf der Hafenmole und lecken sich zärtlich die Unterarme. Ein Engländer aus Bristol freut sich, uns zu sehen. Die Kioskbesitzerin bietet uns zwei Parkplätze an. Am Strand von Biarritz.
Stunden später: wir hatten wenig Verkehr die letzten Tage, und auch die Autobahn ist leer, auf unserem Weg nach Bilbao. Rechter Hand das Meer, links unsere treue Freundin, die Wolke. In Bilbao ruft das Guggenheim-Museum, es wird Zeit für ein wenig Kultur. Betonung auf „wenig”, denn es ist Montag in Bilbao und das Museum hat Ruhetag. Also bleibt nichts anderes zu tun, als einmal rund ums Haus zu staunen, und Traugott beim Füttern des 12 Meter hohen West Highland Terriers zu portraitieren, den Jeff Koons 1997 aus Blumen gebastelt hat – erinnert irgendwie an das Trojanische Pferd.
Weiter geht der wilde Ritt nach Santander. Links der Regen, rechts das Meer. Bei Torrelavega hat uns der Regen vom Tourmalet wieder eingeholt. Es wird Zeit für die Suche nach dem Abendquartier. Fragt sich nur wo. Und so fahren wir Kilometer um Kilometer im warmen Regen der Biscaya bis nach Camillas. Und dort, am menschenleeren Strand von Comillas, finden wir ein Hotel. Das Strandhotel „Josein” stapelt mit seinen zwei Sternen sehr tief – allein für die Lage mit Blick direkt auf den Strand und das Meer würde ich 26 Sterne vergeben. Mindestens.
Der über ein Kilometer lange, feinsandige Strand von Comillas zählt zu den schönsten Spaniens und gilt der Legende nach als Wiege des Strandtourismus. Im spanischen Online-Reiseführer heisst es dazu: Der Ort lebte über Jahrhunderte weiter vom Fischfang und der Landwirtschaft, bis Ende des 19. Jahrhunderts die Wende eintrat. Der Marqués von Comillas Antonio López y López, der in Übersee zu viel Geld gekommen war, lud den spanischen König Alfonso XII. ein, in seiner Geburtsstadt den Sommerurlaub zu verbringen. Dies war der Startschuss für die Pioniere des modernen Badeurlaubs im Sommer an das Meer zu reisen. Der schon erwähnte Marqués de Comillas unterhielt auch vorzügliche Verbindungen nach Barcelona, die es ihm erlaubten, bekannte Architekten des katalanischen Modernismus zu engagieren. Darunter Namen wie Antoni Gaudí sowie Lluís Domènech i Montaner. So entstand das einzigartige, vielleicht auch manchmal etwas skurrile Gemisch der verschiedenen, teilweise völlig konträren Baustile.
Aber nicht nur das Hotel sondern auch sein Restaurant verdient sämtliche kulinarischen Sterne: die Gambas, der Fisch, der Wein und der direkte Blick auf den Sonnenuntergang während des Dinners. Das Meeresrauschen in der Nacht schaukelt mich irgendwie ins Nirgendwo. Oder mit anderen Worten: das Leben ist schön.
Cudillero, das schönste Fischerdorf im Norden Spaniens
Tag 6: Comillas – Cudillero, 415 km
„Tapas de los Alpes” an der Hafenmole
Regen zum Frühstück, Regen beim Beladen der Motorräder. Es ist schon 10:00 Uhr und wir hocken immer noch im Hotel. Auf dem Weg zu den Picos de Europa versinkt die Landschaft neuerlich im Regen, und die spektakulären Bergspitzen entziehen sich unseren Blicken, denn sie sind inzwischen von dichten Nebelschwaden umhüllt.
Inzwischen ist es 13:00 Uhr und wir sitzen auf einer Raststätte fest. Mega coole deutsche Harley-Pfeifen sprechen nicht mit uns, und deshalb freut es uns sehr, dass der Regen nochmals zunimmt, nachdem sie gerade die Tankstelle verlassen haben. Mit anderen Worten: die Picos werden gestrichen, neues Ziel ist Cudillero, das romantische Fischerdorf an der Costa Verde und einer der schönsten Küstenorte an Spaniens Nordküste. Die mobile Fußwaschung im Regen umgehe ich inzwischen mit klassischen Müllsäcken, die meine Hufe trocken halten.
Stunden später: bei mittlerweile schönstem Wetter hocken wir lange an der Mole im alten Hafen von Cudillero. Das klassische Landjäger-Bergkäse-Senf Menü nennen wir inzwischen „Tapas de los Alpes”. Das „Hotel Isabel” kostet in diesem Tourismuszentrum ganze 40,- EUR für eine denkwürdige Nacht, in der die Möwen lachen und die Katzen jammern werden.
Am Abend, der Ort ist inzwischen menschenleer, testen wir dann noch echte, einheimische Tapas, die ganz vortrefflich schmecken und wie überall auf unserer Spanien-Reise nur einen Pappenstil kosten.
Im Wald da sind die Räuber
Tag 7: Cudillero – Ribadeo – Santiago de Compostela, 315 km
Vollgas-Pilgern auf dem Camino de Santiago
Frühstück in Cudillero, dem schönsten Fischerdorf der Costa Verde: Zwei einsame Menschen sitzen am verwaisten Hauptplatz, genießen die Ruhe und zweifeln, dass es der stark hinkende Pilger die 320 Kilometer bis nach Santiago noch schaffen wird.
Auf der wunderbaren N632 durch die Wälder entlang der Nordküste tauchen immer mehr „Camino de Santiago” Schilder auf und immer mehr dazu gehörige Pilger säumen den Weg. Respekt und ein wenig schlechtes Gewissen stellen sich ein, wenn wir neben den wackeren Wandersleuten den Gashahn aufdrehen.
Bei Ribadeo gibts noch einen Café-con-leche in einer Motorradkneipe an einer verlassenen Bucht, bevor es dann durch endlose Kurven und auf noch endloseren Geraden auf der N640 und D634 nach Santiago de Compostela geht. Auf einer dieser Geraden werden die „Tapas de los Alpes” an einer verlassenen Graffiti-Tankstelle verdrückt – die Stimmung schreit nach amerikanischen Road-Movies.
Und dann stehen wir plötzlich da in der Hauptstadt Galiciens – am Ziel des Jakobs- und unseres Weges. Hoch emotionale Szenen spielen sich auf dem Vorplatz der „Catedral de Santiago de Compostela” ab, wo im Minutentakt neue Pilger eintreffen, die vom Glück überwältigt ihre Rucksäcke und Wanderschuhe durch die Gegend schmeißen, in Freudentänze ausbrechen oder sich in einer Ecke in Selbstreflexion verkrümeln.
Nach 2.200 Kilometern checken wir im „Hotel Herradura” ein, genehmigen uns eine köstliche Dorade und freuen uns auf den ersten Ruhetag unserer Reise.
Sehnsuchtsort aller Pilger: die Kathedrale von Santiago de Compostela
Tag 8: Ruhetag – Santiago de Compostela
Am achten Tage sollst du ruh'n!
Der Ruhetag in Santiago beginnt mit dem Hochamt in der Kathedrale. Nach der Messe streife ich um die Kirche. Emotionen pur an jeder Ecke: Begrüßungen, Verabschiedungen, Umarmungen. All die Menschen, die es geschafft haben, für sich und gemeinsam. Frieden, Freude und Liebe hängen in der Luft.
Ich sitze, vermutlich noch benebelt vom großen Weihrauchschwenker, in einem Café vor der Kathedrale. Ein Guitarrerro spielt Hotel California und mir fließen Tränen über das Gesicht. Der Weihrauch, die Musik, die Emotionen in und um die Kathedrale. Und all die Menschen, die deinen Weg verlassen haben, und so viele Lieben, denen du nicht zeigst, wie gern du sie hast. Soviele Träume, die du über die Jahre verschoben hast. Schluss damit, das muss sich wieder ändern...
Am Abend sehe ich dann auch Freund Traugott wieder – er hat in Santiago das Ziel seiner Reise erreicht und wollte den Tag ganz für sich allein mit seinen Gedanken und seiner imaginär Mitreisenden zelebrieren – wir genießen einen wunderbaren Abend mit feinem Essen und sehr persönlichen Gesprächen in einer der engen Seitengassen von Santiago de Compostela. Wieder spielt ein Straßenmusikant für uns. Vorfreude auf das Kap Finisterre morgen, wenn wir ans Ende der Welt fahren werden.
PS: dem Hl. Jakob in der Kathedrale habe ich dann auch noch die Hand auf die goldene Schulter gelegt – bin ja ebenfalls nur ein armer Wandersmann...
Spiritueller Höhepunkt: Der 0-km Camino-Stein
Tag 9: Santiago – Kap Finisterre – Alliaz
Zwei Landjäger am Ende der Welt
Kap Finisterre! Wir fliegen von Santiago ans Ende der Welt. Aus dem Adler wird Jonathan Livingston Seagull, der seine Schwingen frei über das schwarze Asphaltband breitet. Zum berühmten Leuchtturm, den ich vor 40 Jahren als Leichtmatrose auf der Viermastbark „Sea Cloud” passiert habe, weit draußen auf dem Meer. Die Öhlins müssen pumpen auf dem Weg zum Leuchtturm. Großes Kino mit abschließendem Landjäger-Lunch direkt am Ende der Welt. Unglaublich, an welche Plätze die Tube Lustenauer Senf dieser Tage überall hinkommt.
Auf dem Weg zum Kap sehen wir mehr Pilger als auf dem Camino nach Santiago, nach dem Motto: wer es bis nach Santiago schafft, der schafft es auch noch die 80 Kilometer bis zum Faro, dem legendären Leuchtturm. Und drapiert dort irgendein Wanderutensil am Cruz de Camino, dem Kreuz vom „Cabo Fisterra”, wo mir die Guitarreros heute „Wish you were here” ins Herz brennen. Die bekommen ein paar Retourmünzen von den bisherigen Mautstellen.
Einen weiteren Euro investiere ich in den World´s End Stempel, den mir ein Eingeborener begeistert in den neuen Reisepass knallt. Gilt der oder ist das jetzt Urkundenfälschung? Die Zukunft wird's weisen.
Der Weg nach Süden über die Küstenstraße: vorbei an einsamen den Stränden und Dörfern Galiziens kehren wir dem Atlantik bei Vista Fermosa den Rücken, passieren nochmals Santiago und nehmen dann die schnelle Route auf der N525 in Richtung Portugal, dem nächsten Ziel. Ourense lassen wir links liegen, aber in Allariz finden wir für die beiden tapferen Rösser einen geeigneten Stall. Das Rätsel, warum wir die einzigen Gäste beim Abendessen sind, löst sich dann beim Abendspaziergang: Allariz ist eine der schönsten Altstädte, die ich jemals gesehen habe. Das gesamte Viertel perfekt renoviert, keine einzige Bausünde, alle Häuser – auch die neuen – aus Stein gebaut, dazu überdimensioniert Pflastersteine bis zu 2 m Länge. Und die Bewohner bis weit in die Nacht auf dem mittelalterlichen Hauptplatz versammelt, während die Kinder vor dem Kirchentor fangen spielen.
Pures Leben, wie aus der Zeit gerissen und wir sitzen mit unserer Weinflasche da wie Aliens und staunen in die Nacht hinein.
Schafe grasen friedlich im Kreisverkehr
Tag 10: Alliaz – Chavez – Vinhjais – Macedos
Verschollen in der Notaufnahme
Wieder hängt Europas einzige Gewitterwolke ausgerechnet über uns. Egal, wir reiten dennoch früh los und überqueren ein paar Kilometer vor Chaves die Grenze nach Portugal. Erste Waldbrände säumen den Weg. Auf den Bergen wurden Feuerschneisen wie Skipisten durch die Wälder geschlagen.
Die 100 kurvigen Kilometer löchrigen Asphalts auf der N103 von Chavez nach Vinhjais fordern die Fahrgestelle der Bikes. Und beide Motorräder bestehen die Sonderprüfung mit Bravour. Als dann die Rumpelpiste in 20 Kilometer Rennasphalt übergeht sind sie dann plötzlich da, die stummelgelenkten Mopeds mit knieschleifenden Kombiträgern. Und jetzt wissen wir auch warum: die N316 ist eine perfekt ausgestattete Rennstrecke mit Kurvenradien von 90° bis 270°, doppelt abgesicherten Leitplanken, wenig Verkehr und kein einziger Streckenposten.
Nach knapp 200 Kilometer reicht es für heute in Macedo de Cavaleiros – Traugott verhandelt hart im „Hotel Alendouro” – mit 40,- EUR inkl. Frühstück für die Nacht holt er einen Riesenbonus gegenüber booking.com heraus. Vermutlich aus Mitleid, denn es gibt weitaus besser gekleidete Ukrainer im Haus.
Auf der Suche nach einem portugiesischen Restaurant verrennen wir uns – anstatt vor einer Bar landen wir vor einem Krankenhaus. Ich mache mir große Sorgen, weil mein Begleiter in die Notaufnahme entschwunden ist. Erst lange Minuten später kommt er mit der diensthabenden Ärztin heraus, die ihm den Weg zu den Spezialitäten der Kleinstadt weist. Perfekte Diagnose, perfekte Therapie, muito obrigado, doutora!
Dem Duoro entlang bis zur Brücke von Porto
Tag 11: Macedo - Duoratal - Porto
Moto GP: Kathie Valentino vs. Mark Guzzi
Zur Halbzeit unserer Reise werden wir am Ende des Tages die 4.000 Kilometer geknackt haben. Zuvor wärmen wir die Bikes auf der kurvenreichen N216 auf, bevor wir auf die N102 abbiegen und bis Lodões nach Süden fliegen und bei Ribalonga ins Duorotal abbiegen.
Speziell Weinliebhaber kennen das Duorotal als weltweit ältestes abgegrenztes Weinanbaugebiet mit tausenden von Terrassen, die der Mensch im Schiefergestein über die Jahrhunderte in mühsamster Handarbeit angelegt hat. Fabelhafte Weine – nomen est omen – und der berühmte Portwein werden aus den riesigen Hanglagen gewonnen. Der Douro mündet in Porto in den Atlantik und zählt mit knapp 900 Kilometern zu den längsten Flüssen der Iberischen Halbinsel.
Die Dunlop Mutanten auf der Guzzi winseln, die Brembos werden heiss, die Schultern beginnen zu schmerzen: es ist Sonntag und wir fahren Moto GP. Die Strecke fasziniert hinter jeder Kurve aufs Neue, immer wieder bleiben wir stehen, filmen, fotografieren und klatschen ab vor Freude, was unserer traditionellen Gewitterwolke Zeit gibt, langsam für einen netten Empfang nach Porto zu ziehen und dort auf uns zu warten.
Die Kurvenorgie durchs Duorotal wird häufig unterbrochen von langsamen Passagen durch hübsche Dörfer. In einem findet gerade ein Fest statt mit tanzenden, johlenden Menschen mitten auf der Durchzugsstraße. Und einem Schaf, angebunden an einem Laternenmast. Ein paar hundert Meter weiter verliere ich dann Traugott aus dem Rückspiegel. Ich kehre um und finde ihn inmitten hübscher Tänzerinnen in inniger Umarmung. Mit einem Schaf. Er hat bereits 10,- EUR in die Dorfkasse einbezahlt und ist damit aktuell Höchstbietender. Für das Schaf. Mit letztem Einsatz ziehe ich ihn aus dem fröhlichen Treiben. Ab sofort muss er wieder vor mir fahren, dann habe ich meinen kontaktfreudigen Reiseführer besser im Blick.
Der Landeanflug nach Porto entpuppt sich als gefährlichster Teil der bisherigen Reise – es ist Sonntagabend und der Großteil der Autofahrer ist komplett angesoffen und eiert hochriskant durch die letzten Kurven des Duorotals. Die gute Nachricht: die Gewitterwolke hat sich inzwischen wieder verzogen, wir wohnen sehr feudal im „Eurostars Porto Centro ****” und dinieren vorzüglich im „Vaccarrum” in der Innenstadt von Porto.
Die weltberühmte Brücke über den Fluss
Tag 12: Ruhetag in Porto
Die Bogenbrücke über den Duoro
Ruhetag in Porto, das an allen Ecken und Enden boomt. Wunderschöne Häuser mit typischen Kachelfassaden, pittoreske Gassen mit genialen Restaurants und Bars, pulsierendes Leben am Ufer des Douro mit der berühmten Bogenbrücke Ponte Dom Luís I. Die Innenstadt wird gerade großflächig für eine neue U-Bahn Linie aufgerissen, was der generell guten Laune in Porto aber keinen Abbruch tut.
Ich mach mich zu Fuß auf den Weg zu einem Guzzi Händler auf der Suche nach dem seltenen 10W60 Motoröl für die Moto Guzzi V85TT – sie sollte übrigens auf 5.500 Kilometern nicht einmal 0,5 l verbrannt haben. Nach fünf Minuten Fußmarsch ändert sich das Bild der Stadt. Die Fassaden werden grauer, die Straßen holpriger, die Schaufenster leerer. Die Pappkartons von Obdachlosen werden mehr. Der Guzzi-Händler hat das Öl nicht lagernd, will aber einen kompletten Fahrbericht über die Stärken und Schwächen der V85TT. Er schickt mich weiter in einen kleinen Laden, eingebettet in Etablissements der anderen Art. Stolz lasse ich meinen Modul-Kanister wie ein Gucci-Täschchen am Handgelenk baumeln und reite in das noble „Café do Brazil” ein, wo ich mit Traugott einen weiteren „Café com leite” schlürfe.
Am Nachmittag streichen wir durch die Gassen von Porto und essen fantastisch in einem der Gassenlokale: ein Zimmer, vollgestopft mit guter Laune und hervorragender Küche. Ich sitze direkt im Fenster – eine falsche Bewegung und ich lande in der Gosse. Später dann das Erinnerungsfoto an der Brücke von Porto und abends Power-Shopping auf der 1,5 km langen „Rua Santa Catarina”, die von tausenden fröhlichen Einheimischen geplündert wird. Unglaublich viel Kreativität, gute Laune und Lebensfreude mischt sich mit Baulärm und Straßenmusik. Aufbruchstimmung auch in Portugal.
Ein Beispiel für kreative Problemlösungen à la Porto: um die frechen Spatzen von den McTischen fernzuhalten, hat Donalds eine Falknerin engagiert, die mit ihrem Vogel vor dem Lokal sitzt. Ergebnis: kein Spatz, soweit das Auge reicht und neugierige Neukunden, die das witzig finden und nebenbei fleißig Junkfood konsumieren.
Wir genießen das nächtliche Porto und ein letztes Glas Portwein in vollen Zügen, wären gerne noch länger geblieben. Und irgendwie spüre ich, dass mein Vater, der heute seinen 88. Geburtstag gefeiert hätte, sehr gerne mit von der Partie gewesen wäre. Feliz aniversário!
Serra da Estrela – oder: dem Himmel so nah
Tag 13: Porto – Coimbra – Sierra Estrela – Belmonte, 297 km
Ausgebremst von der Guarda Nacional Republicana
Von Porto auf der A1 130 Kilometer nach Coimbra, dem südlichsten Punkt der Reise. Dann über die Serra de Estrella nach Westen bis nach Madrid. Das ist der Plan. Bis Coimbra passt das soweit, aber auf der Fahrt durch die Pampa auf der N110, später N17, passt irgendwie nichts zusammen. Schlechter Asphalt, schlechte Laune, keine Bar weit und breit und die böse Wolke ist auch wieder da.
Das ändert sich dann, als wir bei Seia in die Serra da Estrela eintauchen. Dieses Gebirge muss einst als Spielplatz für Riesen geschaffen worden sein: Steinkugeln in allen Größen und Formen, planlos über die Landschaft gestreut. Einzeln, als bizarre Formationen, übereinander getürmt und durcheinander gewürfelt. Die Streckenführung durch die einsamen Hügel zählt zum Schönsten, das ich jemals fahren durfte – kilometerlanger Spaß auf höchstem Level!
Wir parken in Sabugueiro, einem kleinen Wintersport-Dorf in den Bergen. Ein mit Bildern plakatiertes Haus. Innen feinste Lederwaren auf 800 m2. Ledertaschen, Ledermäntel, Lederschuhe, Lederjacken, alles handgefertigt aus der Region. Auf die Frage nach Motorradjacken schiebt mich der Juniorchef kräftig in den hinteren Teil des Etablissements. Und dort wartet das Unheil in Form einer weichen, weißen Motorrad-Lederjacke auf mich. Beinahe habe ich Glück, da die Ärmel viel zu kurz sind. Aber der Juniorchef greift zum Telefon und erklärt dann, dass es kein Problem sei, eine neue Jacke mit längeren Ärmeln zu schneidern. Er vermisst meinen Arm, während seine Frau bereits die Kosten für den Postversand nach Österreich geklärt hat. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, ich lasse noch zwei Lammfell-Patschen für meine Lisi einpacken, um das Versandgewicht auszunutzen – seither warte ich auf das Paket aus Sabugueiro. Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.
Endlich reißt mich Traugott aus dem Laden, wir fahren weiter durch die Hochebene der Estrela. Die Sonne steht schon tief, als wir nach traumhaften Kurven im Tal ankommen. Hier hat der Wald gebrannt im letzten Jahr, auf beiden Seiten stehen verkohlte Bäume, Hausruinen und riesige Lager von geschlagenem Holz. Es bleibt nicht viel Zeit zum Schauen, da wir uns seit zehn Kilometern ein gutes Rennen mit einem durchgeknallten Pick-Up liefern. Erst als wir vor einem Dorf abbremsen und uns die Karre innerorts mit 80 km/h überholt sehen wir, dass es sich um die Guarda Nacional Republicana – auf deutsch: Rennleitung – gehandelt hat.
Sonnenuntergang im Hotel „Belsol in Belmonte”: Plantschen im Pool, feines Diner mit feinem Wein und traumloser Schlaf bis der Wecker scheppert.
Schwerer Regen am Abend in Bèjar
Tag 14: Belmonte – Guarda ( Esp) – Portillo Pass – Béjar, 248 km
Die Brandstifter vom Val Estrela
Weitere 30 Kilometer durch verbrannte Wälder von Belmonte bis Guarda. Laut Hoteldiener ein Werk einheimischer Brandstifter, die jetzt Holz ohne Ende schlagen dürfen. Die Feuerwehrleute, die in Eigeninitiative ohne die Einwilligung der Behörden löschen wollten, sind anscheinend immer noch in Haft. Bei Guarda dann Autobahn A25 bis zur spanischen Grenze bei Vilar Formosa und das malerische Ciudad Rodrigo. Nach 120 Kilometern bei Serradilla del Arroyo Einstieg in die Sierra de Francia – ein weiterer Flash für Kurvensüchtige – und dann Wechsel von der kleinen SA-220 zur noch kleineren CV-134 durch schattige Wälder.
Vollbremsung beim Ortsschild San Martín del Castañar – fünf bemalte Weinfässer rund um das Ortsschild locken uns in die Abzweigung zum 220-Seelen Dorf. Wir landen direkt im Mittelalter, nur die Motorräder, die friedlich beim Dorfbrunnen grasen, passen nicht wirklich in dieses romantische Bild. Kleine Fachwerk-Häuschen mit Holzbalkonen bilden verwinkelte Gassen.
Die Burgruine im Zentrum entpuppt sich als Kulisse, der Turm ist nur eine Wand, die von hinten gestützt wird. Dazwischen die „Plaza de torros”, der kleine Platz mit altertümlicher Tribüne und rostigen Schutzpanelen gilt als eine der ältesten Stierkampfarenen Spaniens. Wie sich das anfühlt und -hört, wenn ein ausgewachsener Stier wütend diesen kleinen Acker mit seinen 40 Sitzplätzen zerlegt, bleibt das Geheimnis des Dorfes.
Die böse Wolke hat uns entdeckt und wir flüchten über die genialen Serpentinen des Portillo Passes und über Sotoserrano auf der mit Rennasphalt neu gewalzten SA225 nach Béjar. Obwohl wir dort mitten in einer touristischen, mittelalterlichen Innenstadt wohnen, hocken wir allein auf der Plaza Major vor der Skulptur Don Quijotes, dem Mann aus La Mancha, und seines unnützen Dieners. Wir beschließen, das Buch Cervantes' in einem der kommenden Tage an Original-Schauplätzen neu zu verfilmen.
Während wir lachend die Details besprechen, wechselt das Polizeigebäude seine LED Beleuchtung von schlimmem türkis auf lächerliches pink, und in 700 m Entfernung entlädt sich ein gewaltiger Wolkenbruch. Was für ein Tag.
Unverwüstlich: alte Römerstraße auf 1.350 m
Tag 15: Béjar - Sierra de Candelario – Puerto del Pico – Madrid, 289 km
Der Jungbrunnen am Puerto del Pico
300 km von Bejar über die Sierra de Candelario, die Sierra de Gredos hinauf und hinunter bis nach Madrid. Hohe Straßenbaukunst für gepflegte Schräglagen – ein Kurvenspektakel wie in Trance, Flamenco auf zwei Rädern. Steinernes Riesenspielzeug als pittoreske Kulisse am Wegesrand. Der harzige Duft von Pinien. Die alte Römerstraße, die immer noch gut sichtbar auf den Puerto del Pico über 1.352 m führt. Dort steht auch der Jungbrunnen, von dem alle Durchreisenden naschen, auch wir, leider ohne Erfolg.
Auf dem Weg ins Tal nach Talavera de la Reina, kratzen wir die schönsten Kurven Spaniens. Zum Runterkommen vom Adrenalin beruhigen wir uns auf der A-5 durch die La Mancha, einer weiten Ebene mit überwältigenden Ausblicken. Auch auf der Autobahn immer noch kaum Verkehr bis kurz vor Madrid, wo wir erst im „Ibis Madrid Centro”, dem einzig leistbaren Hotel im Zentrum mit eigener Tiefgarage (!) ab- und später dann per pedes in die pulsierende City eintauchen.
Lebenslust pur rund um die Tapas- und Flamenco-Bars mit tausenden Menschen auf den vielen Plazas Madrids. Und wir mitten drin im Geheimtipp für Liebhaber lokaler Tapas Spezialitäten: Casa De Comidas D Diego – auténtica cocina de Barrio.
Jeder Abend ein Fest der Sinne
Tag 16: Ruhetag Madrid
Albrecht Dürer im Licht, Flamenco im Dunkeln
Der Ruhetag in Madrid startet spät mit einem ausführlichen Kartenstudium für den folgenden Tag. Die Idee mit der Neuverfilmung Don Quichotes wird ebenfalls detailliert besprochen – mehr oder weniger. Die Frühstücksgäste jedenfalls wundern sich über das Gelächter von zwei Fremden, die sie nicht verstehen.
Als nächster Programmpunkt steht dann ein geführter Rundkurs im Prado auf dem Zettel. Wir knien nieder vor den religiösen, monumentalen, frivolen aber immer genialen Meisterwerken von El Greco, Tizian, Velasquez, der weltweit größter Sammlung dicker Weiber von Rubens, Goyas Zwillingen – der be- und unbekleideten Maja – dem surrealem Garten der Lüste von Hieronymus Bosch, Tintorettos Fußwaschung mit geheimnisvoller Perspektive und dem 1498er Selfie von Albrecht, dem Dürer.
Teil Zwei des Ruhetages besteht aus rumlungern, chillen später dann gaffen: wir hüllen uns ins Dunkel des Cardamomos, der selbsternannten besten Live-Flamenco Bar der Hauptstadt. Danach gibt es Paella auf einem der Plätze Madrids. Tausende lebensfrohe, selbstbewusste Menschen unterhalten sich entspannt, laut und friedlich. Kaum einer schaut stupide und sinnlos in seinen digitalen Meister – Eindrücke wie diese nehmen wir mit aus dieser kreativen, bunten, sauberen Stadt.
Easy Rider – Road-movie in Aragon
Tag 17: Madrid – La Mancha – Sierra Cuenca – Albarracin, 260 km
Zwei Ritter von der traurigen Gestalt
Danke Madrid für die Kunst der Maler und die Emotionen der Flamenco-Tänzerinnen. Danke für die Freundlichkeit der Menschen und ein Hoch auf die Kreativität der Tapas Bars. Und speziellen Dank an Miguel Cervantes für seinen Bestseller aus dem Jahr 1605 über den Mann aus La Mancha, die wir soeben durchreiten.
Als wir die Windräder gleich Mühlen auf einem Hügel erblicken, verlassen wir die Autobahn A3, passieren Lavendelfelder und landen in einem Olivenhain unterhalb der Riesen. Hier ist die passende Location für eine hochprofessionelle Foto-Session über Don Quijote:
Traugott gibt den Ritter von der traurigen Gestalt, ich konzentriere mich auf den versoffenen Diener Sancho Pansa, die KTM spielt den alten Klepper Rosinante, nur eine schöne Dulcinea können wir weit und breit keine finden. Ein Ast, gefunden unter den Olivenbäumen dient als Lanze für den bevorstehenden Kampf und die Windmühlen stehen sowieso herum. Bei gut 30° kämpfen wir in der prallen Sonne der La Manche gegen die Riesen. Wir fotografieren, verlieren den aussichtslosen Kampf und ziehen uns zurück auf die A3 in Richtung Cuenca.
Kleine Siesta im schattigen Park von Cuenca, bevor wir über die CM-2110, 2105, 2106 und 2119 weitere schönste Straßenführungen Spaniens abreiten. Darunter das Fenster des Teufels in der Serrana de Cuenca mit dem Puerto de El Cubillo (1.617 m), der Wasserfall von Calomarde und schließlich die mittelalterliche Kleinstadt nach Albarracín mit seiner imposanten Befestigungsmauer aus dem 14. Jhdt, zum Schutz gegen ein Comeback der arabischen Eroberer angelegt.
Fotopause in der Ventano des Diablo, dem Teufelsfenster in der Sierra Cuenca, hoch über dem Rio Júcar. Über der Schlucht winkt uns ein Adler, gegenüber im Nest übt ein Jungadler für seinen Erstflug. Die nächste Pause nehmen wir an der Quelle des Tajo (1.580 m) mit ihrem Skulpturengarten. Und plötzlich verwandelt sich die Landschafts-Kulisse in ein amerikanisches Roadmovie – uns fehlen die Worte vor lauter Staunen. Die letzten Kilometer des Tages führen durch eine schattige Schlucht nach Albarracín entlang des Río Guadalaviar.
Im Hotel Arabia direkt am Felsen checken wir unten ein und betreten aus dem 4. Stock die perfekt restaurierte Altstadt unter den Überresten der „Alcázar de Albarracín”, der einst mächtigen maurischen Burg, von gewaltigen Stadtmauern umgeben. Albarracín zählt zur Vereinigung der „Schönsten Gemeinden Spaniens“. An der Plaza Mayor steht das Rathaus aus dem 16. Jh. mit den typischen Balkonen über den Arkaden.
Und dort sitzen wir am späten Abend nach einem köstlichen regionalen Abendessen, zusammen mit ein paar Dorfbewohnern und trinken unser Bier, ganz so wie es die Bewohner seit 900 Jahren getan haben. Den Weg zurück nutzen wir für eine Stadtbesichtigung mit seiner traditionellen Architektur rötlich verputzter Gebäude, die im Felsen kleben. Die Häuser sind teilweise so dicht gebaut, dass sich die Balkone oben fast berühren. In den engen Gassen sitzen die letzten Gäste vor den Bars, junge Mädchen kichern in kleinen Gruppen im Dunkeln der Plaza.
Wir betreten das „Arabia” oben und fahren mit dem Lift hinunter in unsere Zimmer. Was für ein Tag.
High-Tech in der Pampa: Teruel Airport
Tag 18: Albarracin - Sierra de Gudar - Puerto de Sollavientos - Alcañiz, 268 km
Der Friedhof der fliegende Elefanten
Wir wissen beim Frühstück noch nichts von den skurrilen und landschaftlichen Höhepunkten, die wir heute erleben werden: den Friedhof der Jumbos auf einem Hochplateau, den letzten Landjäger auf dem Dach der Einsamkeit und das schöne Schlafschloss am Ende des Tages.
Ein Teil der von uns gefahrenen Route wurde 2022 zur besten Bikerstrecke in Spanien gekürt. Kein Wunder. Pässe bis 1.700 m, Fluss- und Tallandschaften, Hochebenen, Schluchten, Terracotta-Dörfer wie Schwalbennester. Spitzkehren, Tempokurven, endlose Geraden, die den Himmel küssen. Grip ohne Ende.
Wir beginnen mit der Schlucht des Río Guadalaviar auf der A-1512 in Richtung Teruel – und wir lassen sie galoppieren, die Kathi und die Guzzi, steuern sie inzwischen mit leichter Hand. Ab Teruel geht es dann in eine der einsamen Hochebenen. Die Sierra Palomera wird durch eine zehn Kilometer schnurgerade Straße geteilt. Nach all den bisherigen Kurven ein geradezu mystisches Fahrerlebnis.
Im esoterischen Bereich bewegen sich zuerst auch die blitzenden Erscheinungen am flimmernden Wegesrand, die langsam immer näher kommen. Irgendwann wird die Idee von einem Schrottplatz für Jumbos Realität: Der Flughafenparkplatz Teruel bietet 225 vorübergehend oder für immer ausrangierten Passagierflugzeugen einen preiswerten Stellplatz im Nirgendwo. Spanischer Surrealismus für Fortgeschrittene.
Weiter geht es über Teruel nach Süden und dann auf der A-228 hinauf zum Puerto de San Rafael (1.600 m) und bei Allepuz rechts ab auf die A-226 zum Puerto de Villarroja (1.655 m). Dort sind wir um 13:56 endgültig am Dach der Einsamkeit angekommen. Und mein endgültig finaler Landjäger haucht sein Leben aus.
Auf dem Weg nach Alcañiz verlassen wir die Sierras mit ihren angenehmen Temperaturen und schwitzen uns bis zur 38°C Fieberkurve. Die Luft zum Schneiden, die Sonne erbarmungslos. Die schwarzen Mambas kochen, die Biker auch. Fern auf einem Hügel winkt gegen Abend unsere Belohnung: die markante Silhouette der ehemaligen Ordensritterburg – dem Parador Alcañiz als passendes Refugium für zwei abgekämpfte und dürstende Eisenritter.
Paradores sind übrigens immer Herbergen in legendären Festungsanlagen oder strategischen Enklaven, die in Welterbe-Städten, Naturparks oder auf interessanten Plätzen liegen, die den Lauf der Geschichte Spaniens geprägt haben.
Baywatch mitten in der Großstadt
Tag 19: Alcañiz – Ruta N420 – Barcelona, 235 km
„Gran final” in Barcelona
Beim Abendessen gestern wurde uns bewusst, dass heute unser letzter Fahrtag auf der Halbinsel sein wird. Traugott über das Finale in seinem Tagebuch: „Unser letzter Fahrtag in Iberien, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Keine Guardia Civil, keine Radarboxen. Und schon nach dem ersten Warmfahren war die 5.000 km Marke geknackt. Ein Land voller Überraschungen abseits ausgetretener Pfade. Da lacht das Herz, gell Gernot!”
Ganz in der Nähe von Alcañiz liegt übrigens der „MotoGP Circuit MotorLand Aragón”. Dieselben Erbauer müssen als Bildhauer die N 420 kreiert haben, denn nur Künstler können so einen Kurventanz in die Landschaft ziselieren. Räuberkurven, alle in hohen Gängen zu nehmen, harmonische Radien, schlängelnde Linien, volle Kanne, die 140 km runtergebrettert wie in Trance. Traum oder Wirklichkeit?
Auf der letzten Straßenetappe steigert sich dann alles nochmals zum großen Finale: die links-rechts Kombinationen, das Auf und Ab, die doppelten Leitplanken in den Kurven, die Windparks am Straßenrand. Und schließlich ein erster Blick auf das Mittelmeer auf dem Weg nach Barcelona. Auch die Regenwolke lässt sich zum Finale nochmals blicken und beweint unseren bevorstehenden Abschied.
Erste Impressionen in Barcelona: Fahrverbote in der Innenstadt (ausgenommen Motorräder!), Eisbären in einem Schaufenster in der Nähe der Ramblas, kreative Architektur soweit das Auge blickt (La Sagrada Familia!), weit verbreitete Graffiti-Kunst in den Gassen um die Universität, fantastische Küche (Moritz! El Nacional!), gemütliche Bars und der große Unterschied zu Madrid: die Strände, die man direkt von der La Rambla aus per pedes erreichen kann.
Das „Mesón Castilla Atiram” liegt mitten im Zentrum, es bietet als eines der wenigen Hotels einen sicheren Stall für die Rösser in der hauseigenen Tiefgarage und ein perfektes Frühstück. Dazu besonders hilfsbereite, fröhliche Rezeptionistinnen mit genialen Restauranttipps – ein Bespiel: die Fàbrica Moritz Barcelona , die immer noch das berühmte Moritz-Bier braut und dazu mehrfach prämierte lokale Tapas Spezialitäten, gemischt mit elsässischer Küche serviert.
Wir genießen das kulinarische Angebot der Stadt in vollen Zügen und machen auf dem Heimweg noch Halt in einer der mit Liebe betriebenen Bars in der Nähe der Universität.
Nahezu täglich ausverkaufter Tempel der Kulinarik
Tag 20: Ruhetag – Barcelona
Corazón, ¿qué quieres más?
Letzter Ruhetag, letzter Tag in Spanien – Melancholie am Frühstücksbuffet, die in weiterer Folge des Tages von einem unbeschwerten Hochgefühl abgelöst wird. Letzte „Must-See-Places” abklappern, zu Fuß oder via Taxi. Gaudis Sagrada Familie bestaunen und chinesische Touristen verhöhnen, die in Zweierreihen im Stechschritt rund um die skurrile Kathedrale rennen. Dabei gemütlich eine Horchata schlürfen, Barcelonas Signatur Drink 2023, solange bis ich mir die Pampe über meinen Vorderköper verschütte.
Traugott will sich in der Markthalle „Mercat de la Boqueria” spanische Spezialitäten besorgen, um das Vakuum in seinem Topcase mit Chorizos, Ibérico-Schinken, Chilis und säckeweise Pimientos del Padrón zu füllen. Und während er auf der Suche nach Geschenken die Rambla rauf und runter stürmt und sich anschließend mit einem Glas Sangria im Barri Gotic Viertel belohnt, renne ich immer schneller werdend die La Rambla runter und dann am alten Hafen vorbei zur Barceloneta, einem der schönsten Strände der Stadt. Darauf habe ich mich seit Wochen gefreut, und so stürze ich mich elegant in die Fluten, betrachte aus der Wal-Perpsektive die Skyline von Barcelona und streite mich später mit Einheimischen um ein Taxi.
Am Abend schickt uns unsere Rezeptionistin ins „El Nacional”. Das Lokal befindet sich am Passeig de Gràcia und verfügt über eine Fläche von 2.600 m2 mit einer Kapazität für mehr als 700 Gäste. Ein symbolträchtiger Ort voller Geschichte, der seit seiner Erbauung im Jahr 1889 Zeuge der industriellen Revolution Barcelonas ist, bietet unter einem Dach ein Fleischrestaurant, Fischrestaurant, Tapas-Restaurant und Feinkostrestaurant, ergänzt durch vier Bars.
Wir entscheiden uns für das Fischrestaurant im Tempel der Kulinarik. Die Empfangsdame ist zum Niederknien und auch die Dorade, vom Kellner direkt am Tisch aus der Salzkruste geklopft, ist ein Traum. Die leicht dekadente Architektur, die sich bis in den gemeinsamen Waschraum auf der Toilette durchzieht, lässt uns ein weiteres Mal über die Kreativität spanischer Architekten staunen.
Später in der Nacht ankern wir noch in einer gemütlichen Bodega, gönnen uns einen letzten Rioja Alta und diskutieren mit einer angesäuselten kolumbianischen Filmproduzentin und ihrem rumänischen Ehemann an ihrem Hochzeitstag über das Leben in der Stadt.
Das war’s! Corazón, ¿qué quieres más?
Am Ende der Welt wächst ein Schornstein aus dem Deck
Tag 21: Barcelona – Genua
„Titanic, Teil 2”: Neuverfilmung misslingt
Eine Zugabe gibt es noch von Merkur, unserem Reisegott: die Kreuzfahrt nach Genua! Auf einem alten italienischen Seelenverkäufer verlassen wir Barcelona. Das Essen ist unterirdisch, die Besatzung unfreundlich und die Abfahrt verzögert sich um Stunden. Dafür gibt es WLAN nur zum horrenden Preis.
Ein Imam wird im weißen Kaftan die halbe Nacht vor seiner Moschee hocken und Gläubige beglücken, die an seinen Lippen hängen. Am kommenden Morgen wird er sein Nachthemd weggepackt haben und sich unauffällig als normaler Passagier geben. Vorurteil? Ja vielleicht, aber irgendwie sind mir diese Seelenfänger unheimlich.
Für uns wesentlich sympathischer sind die vielen Motorradfahrer, die sich an Bord einfinden. Aus Argentinien, Ungarn, Norwegen, Spanien – ungewöhnlich wenige aus Deutschland.
Barcelona immer weiter hinter uns lassend, werden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt.
Der spontane Versuch einer Neuverfilmung von „Titanic” ist nur wenig spektakulär, vor allem die Liebesszenen misslingen. Traugott als Jack geht ja noch, aber ich als Rose bin einfach eine klassische Fehlbesetzung. In der Dunkelheit stehen wir mit einem Drink an Deck und ich erkläre meinem Freund, wie man in der Nacht die Schiffe und ihren Kurs ortet.
Die kulinarische Beschreibung des Captains Dinner sparen wir uns – nur soviel: das Frühstück mit seinem Plastikbesteck sollte auch nicht besser werden.
Über die 7 Meere: Odysseus' Heimkehr
Tag 22: Genua – San Bernardino – Rankweil, 420 km
Das Ende vom Lied: das Leben ist schön!
Der Sonnenaufgang versinkt im Morgendunst. Aber die Vertreibung aus unseren Kabinen kann nur zweierlei bedeuten: wir sinken oder aber Genua ist nahe. Letzteres trifft ein und wir machen uns so schnell wie möglich vom Acker: durch die Poebene über den San Bernardino zum Bodensee. 420 Kilometer, auf denen wir wieder und wieder unserer bösen Gewitterwolke entgehen.
Kein Verkehr in Norditalien, kein Verkehr über die vielen Kilometer Baustelle auf den Bernardino und erst kurz vor Chur kippt das Wetter: eine rabenschwarze Wand, durchzuckt von Blitzen im Sekundentakt, stellt sich in den Weg. Aber noch ein letztes Mal haben wir Glück: bevor das Unwetter über uns hereinbricht, biegt die Autobahn rechts ab ins Vorarlberger Rheintal.
Da wir ohne größere Pausen durchgezogen haben, schaffen wir mit geringer Verspätung den zufällig heute stattfindenden Clubabend der Guzzisti Montfort. Wir brettern ums Eck in der Werkstatt Rankweil und fahren direkt auf die erstaunten Gesichter unserer Guzzisti zu. Applaus. Umarmungen. Erzählen und lachen bis in die Nacht.
Und ja, am Ende sind wir dann doch wieder nass geworden. So einfach schüttelt man die böse Wolke vom Tourmalet dann doch nicht ab.
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Motorradtour Europa:
Österreich – Schweiz – Frankreich – Spanien – Portugal
5.500 Kilometer durch die Schweiz, Frankreichs Zentralmassiv, die Pyrenäen, Nordspanien, Portugal sowie die Hitze der La Mancha und die Sierras zwischen Madrid und Barcelona. 22 Tage Regen, Kälte, Hitze und dazu natürlich Sonnenschein mit perfekten Temperaturen auf den Traumstraßen, die die Iberische Halbinsel zu bieten hat – eine Pilgerreise der besonderen Art.
Traugott plante diese Reise eigentlich für sich und seine imaginäre Begleiterin. Ziel sollte primär Santiago de Compostela sein und einer der wenigen weißen Flecke auf seiner europäischen Länderkarte: Portugal. Als dieser Plan an Gernots Ohren drang, entschloss er sich spontan, seine Guzzi aufzusatteln und sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Fabelhaft!
Nachdem für uns Biker der Weg das Ziel ist war die Streckenplanung das Um und Auf. Je nach Wettersituation sollten schnelle kurze Verbindungsetappen uns zu den angesagtesten Bikerstrecken und anderen Highlights führen. Als Zwischenstationen waren eingeplant: das Massif central, die spetakulärsten Pässe in den Pyrenäen, Bilbao, die Picos de Europa, Santiago, das Cap Finisterre, Porto, die Serras/Sierras in Portugal und Spanien, Madrid und Barcelona.
Feldkirch – Montreux – Flumet
Distanz gesamt: 475 km
Flumet – Albertville – St. Flour
Distanz gesamt: 405 km
St. Flour – Gaillac – St. Girons
Distanz gesamt: 219 km
St. Girons – Tourmalet – Pau
Distanz gesamt: 248 km
Pau – Bilbao – Comillas
Distanz gesamt: 425 km
Comillas – Picos de Europa – Cudillero
Distanz gesamt: 312 km
Cudillero – Santiago de Compostela
Distanz gesamt: 282 km
Santiago de Compostela
Ruhetag
Santiago – Kap Finisterre – Allariz
Distanz gesamt: 324 km
Allariz – Vinhais – Macedo
Distanz gesamt: 169 km
Macedo – Duorotal – Porto
Distanz gesamt: 253 km
Porto
Ruhetag
Porto – Coimbra – Belmonte
Distanz gesamt: 278 km
Belmonte – Guarda – Béjar
Distanz gesamt: 215 km
Béjar – Puerto del Pico – Madrid
Distanz gesamt: 272 km
Madrid
Ruhetag
Madrid – Cuenca – Albarracin
Distanz gesamt: 285 km
Albarracin – Teruel – Alcañiz
Distanz gesamt: 376 km
Alcañiz – Tarragona – Barcelona
Distanz gesamt: 238 km
Barcelona – Genua
Ruhetag und Fähre
Genua – San Bernardino – Feldkirch
Distanz gesamt: 418 km