Alle Jahre wieder anfangs September: hunderte von Anhängern des Adlers aus Mandello machen sich auf die Hadsch ins Mekka am Comer See. Und alle Jahre wiederholt sich die Szenerie: Wetterkapriolen am See oder am Splügen, wildes Campen am Lido, sehen und gesehen werden, Charakterköpfe mit ihren Bollermännern, erst- oder zweitklassige Bands, der traditionelle Spaziergang durch die in die Jahre gekommene Wiege des Zweizylinders, museales Staunen weit und breit, Freude über jedes Zeichen eines Aufschwungs sowie das obligate Portrait vor dem roten Tor. Zu Tausenden kreuzen sie auf, scharenweise Gleichgesinnte aus allen Ecken des Kontinents. Ein Schaulaufen der Guzzi-Treiber, es wird bewundert, geträumt, gefeiert und geschwelgt. Viva Guzzi!
Stellvertretend für die vielen Berichte von Pilgerfahrten nach Mandello del Lario zum jährlichen GMG, dem Giornate Mondiale Guzzi, veröffentlichen wir hier Jogi Wollenbergers Geschichte aus dem Jahr 2001, illustriert mit Fotos aus verschiedenen Jahren, die uns von Guzzisti Montfort zur Verfügung gestellt wurden.
GMG Mandello del Lario
Viva la Moto Guzzi, viva Mandello
80, 90, 100 Jahre und kein bisschen leise
von Joachim Wollenberg
Die Passhöhe auf dem Julierpass, ein Freitag im September, 14:00 nachmittags. Als wir auf dem kleinen Parkplatz der Passhöhe ankommen, herrscht hier Hochbetrieb. Es stehen ungefähr 3 PKW’s und rund 100 Motorräder fast ausnahmslos der Marke Moto Guzzi aus allen erdenklichen Ländern am Straßenrand und auf dem Parkplatz. Langsam rollt mein 750er Guzzi Gespann auf dem Platz aus, ich wische mir den Angstschweiß von der Stirn: gerade noch geschafft – der Motor stotterte schon seit mehreren hundert Metern. Ein Blick: tatsächlich- In meinem Tank herrscht staubige Leere und das obwohl ich noch in Chur nachgesehen hatte, wie viel Sprit sich noch darin befindet. Kurz nachgerechnet: tatsächlich - die zügige Fahrerei hat den Verbrauch auf über 10 l ansteigen lassen. Nächstes Mal heisst es entweder früher Tanken oder einfach weniger am Gashahn drehen.
Was wir hier eigentlich machen?
Ach so ja: alle 2 Jahre Ende September lädt der Moto Guzzi Club von Mandello del Lario zum Treffen ein, es folgen mehrere Hundert Moto Guzzi Fahrer dem Ruf und der Verlockung nach einer schönen Saisonabschlusstour in die Stadt, in der ihr Motorrad entstanden ist. Wir konnten natürlich auch nicht anders, zumal es von Lindau aus nur etwa 270 km zu bewältigen gilt. Zugegeben: die Anfahrt bis Chur, wo man das erste mal die Berge erahnen kann, ist über kleine Schweizer Dörfer ziemlich zeitintensiv, aber es gibt überall etwas zu sehen und außerdem fahren wir ja schließlich nicht Motorrad, damit wir möglichst schnell von A nach B kommen. Kurz hinter Chur biegen wir ab Richtung Lenzer Heide um von da aus Richtung Julier- und Malojapass zu fahren. Hier beginnt der richtige Kurvenspass aber auch die größte Anstrengung.
Ab und zu kann ich nicht anders, als den Fahrern von Solomaschinen neidisch nachzusehen, wenn sie uns vor einer scharfen Linkskurve noch schnell mal überholen, um sich dann lässig in die Kurve zu schwingen. Na ja... ein Motorrad von 1970 mit knappen 50 PS aus 750 ccm und das noch mit Serienbereifung 4.00 x 18 und ein voll besetzter Beiwagen sind halt doch nicht für die Battle of Twins gebaut worden. Macht nix, Ludwig und mir bereitet es trotzdem immer wieder einen Heidenspaß, wenn wir in einer scharfen Rechtskurve mal kurz das Beinchen heben oder uns dann in der nächsten Rechtskurve in Richtung Gepäckträger bewegen um das Hinterrad zu belasten, damit die Kurve nicht im Drift genommen wird.
Die Passhöhe am Julier – was für ein Wetter
Das Wetter zeigt sich uns von seiner schönsten Seite, auf dem Julier empfängt uns wolkenloser Himmel mit einem grandiosen Panorama. Ich denke kurz daran, wie wir vor 3 Jahren mit einer ausgefallenen Zündkerze auf einem Zylinder über die Passhöhe getuckert sind, und dabei immer den Schnee vom Visier wischen mussten. Da finden wir dieses Wetter doch entschieden besser. Obwohl es unvergleichlich ist, wenn man nach 3 oder 4 Stunden Fahrt durch Graupelschauer oder Schnee völlig durchgefroren die Abfahrt nach Ciavenna vor sich hat, und dabei innerhalb einer ¾ Stunde einen Temperaturanstieg von 0° auf 25° erlebt.
Nun, heute passt (bis auf den leeren Tank) einfach alles, oben schönstes Wetter, in Chiavenna sitzen die ersten Guzzi Fahrer in den Straßencafes, wir tanken kurz und dann wollen wir weiter nach Mandello um noch einen guten Zeltplatz zu ergattern. Gegen 18:00 fahren wir durch Samolaco und gleich danach stellen wir uns die Frage ob wir über die Superstrada schnell nach Mandello fahren, oder lieber die kleinen Dörfer am See entlang. Wir entscheiden uns für die Seeroute - keine Kompromisse - kein Stress.
Camping mitten im Stadtpark
Wir finden tatsächlich noch Platz im Park von Mandello und Stefan mit dem „Service Bus“ kommt auch schon eine halbe Stunde später an, ihm hatten wir einfach unser Gepäck mitgegeben, um etwas unbeschwerter fahren zu können. Zeltaufbauen, Schlafsack rein und endlich ein kühles Bier öffnen ist eins. Danach fangen wir an etwas herumzubummeln und das zu tun was einem echten Motorradfahrer bei solchen Gelegenheiten wohl das liebste ist: fachsimpeln, andere Maschinen bewundern und nicht zu vergessen: auch das eigene Gefährt bewundern zu lassen. Mir geht es nicht anders. Ich glaube, wenn ich für jede beantwortete Frage zu meinem Beiwagen eine Mark bekommen hätte, ich hätte dieses Treffen als reicher Mann verlassen. Von „schöne Spenglerarbeit“ bis hin zu „die war letztes Mal schon da“ oder „die hab ich auch schon im Internet gesehen“ sind alle Kommentare vertreten.
Wunderbares Frühstücksbuffet
Doch wieder zurück nach Mandello. Dieser Freitagabend ist durch recht frühes Zubettgehen und eine ruhige Nacht gekennzeichnet, wahrscheinlich sind alle noch von der Anreise recht geschafft. Den Samstagmorgen wir mit reichlich Kaffee (natürlich auf die Italienische Art) an unserem wunderbaren „Frühstücksbuffet“ – unser Zelt steht direkt vor einem Kinderkarussell, auf dem wir unseren Kaffee und alles andere von einem zum anderen einfach weiterreichen.
Anschließend ist natürlich ein Spaziergang durch die inzwischen schier endlosen Reihen von Motorrädern angesagt: wieder Fachsimpeln, zwischendrin einen Espresso und dann zum Werkstor, um die Einschreibung mitzumachen sowie eine Werksbesichtigung vorzunehmen. Nachdem wir von einer endlosen Menschenschlange erwartet werden, die anscheinend alle ins Werk wollen, verschieben wir die Besichtigung einfach und beschließen langsam wieder in Richtung Zeltplatz zu bummeln.
Reichlich viel los vor dem Werk
Was wirklich begeisternd ist, war die Anzahl der verschiedenen Nationalitäten, die hier an einem Ort versammelt waren: von Engländern bis zu auf schön gemachten Choppern aus Tschechien war hier wirklich alles vertreten. Vor dem Werkseingang habe ich eine 1000er mit einem Kennzeichen aus Tokio gesehen und fotografiert, der Fahrer war leider nicht auffindbar. Wäre bestimmt ein interessantes Gespräch geworden.
Der Abend entpuppt sich dann als sehr unterhaltsam: wieder fachsimpeln, alte Bekannte, die zwar nur 10km von mir zuhause wohnen, die man aber trotzdem nur alle 2 Jahre in Mandello trifft, treffen ein, gegen 21:00 beginnt auch noch eine Rockband auf der Bühne im Lido zu spielen. Der krönende Abschluss aber ist ein äußerst gelungenes Feuerwerk über dem See, eine Szenerie, die wohl einige so schnell nicht vergessen werden. Für mich endet die Nacht gegen 02:00 Uhr, nach unzähligen Gesprächen, nach ebenso vielen Bieren im Zelt. Dass es den ganzen Tag über leicht genieselt hat, hat eigentlich keinen hier so richtig gestört.
Der nächste Morgen begrüßt uns mit etwas stärkerem Regen, Frühstück findet unterm Baum statt, um nicht ganz nass zu werden. Leider steht als nächstes das Zeltabbauen und einpacken an, wir müssen alle wieder am Montag zur Arbeit erscheinen. Unsere Rückfahrt findet schon im nächsten Ort einen abrupten Abbruch: durch einen Autofahrer, der plötzlich am Straßenrand losfährt werde ich zu eine Vollbremsung gezwungen, mein Vorderrad blockiert auf dem nassen Kopfsteinpflaster und ich rutsche langsam auf einen vor mir geparkten PKW. Fazit: Gabel ist krumm, Lenker und Schutzblech verbogen und zu allem Überfluss macht sich auch noch der Unfallverursacher auf und davon. Wir biegen die Gabel mit drei Mann notdürftig wieder gerade um in den nächsten Ort zu fahren, wo wir bei den Carabinieri Anzeige erstatten wollen. Doch die interessieren sich überhaupt nicht für den Vorfall. Das soll meine Versicherung von Deutschland aus regeln.
Dreckig, durchgefroren aber glücklich
Etwas deprimiert machen wir uns wieder auf den Weg, inzwischen hat es etwas aufgehört zu regnen, so wird wenigstens der Aufstieg auf den Maloja und die Fahrt über den Julier sehr schön. In Chur stürmen wir halb ausgehungert eines dieser in aller Welt verteilten Schottischen Spezialitätenrestaurants (Mac irgendwas) und nehmen etwas Nahrung zu uns. Gottseidank ereignet sich auf der weiteren Fahrt nach Hause nichts Schwerwiegendes mehr, außer einer ausgefallenen Lichtmaschine an meiner Guzzi, was sich aber dank einer neuen 36 Ah Batterie als unwesentlich erweist, und so kommen wir gegen 20:00 Uhr ziemlich dreckig und durchgefroren zuhause an und ich stürme als allererstes ins Bad um eine heiße Dusche zu nehmen.
Nun im nachhinein finde ich es schade, dass die Tage schon wieder vorbei sind, ich hoffe aber dass die Firma Moto Guzzi noch viele Jahre weiterbestehen bleibt und dass vor allem der Club in Mandello noch viele dieser sehr schönen Treffen organisieren wird. Wir werden auf jeden Fall in 2 Jahren wieder dabei sein.
GMG Mandello – Foto-Impressionen
Wie tausende von Freunden des Mandello-Adlers pilgern auch zahlreiche Guzzisti Montfort Jahr für Jahr zum Giornate Mondiale Guzzi nach Mandello – hier eine Auswahl von stimmungsvollen Impressionen abseits der klassischen Gruppen-Fotos von Motorrad-Treffen.
Bildquellen, Fotografie: | |
Claus Härle | 2011 |
Kurt Knabl | 2011 |
Norbert Kurzemann | 2013, 2014 |
Rainer Mathies | 2019 |
Traugott Schneidtinger | 2021 |
MG Louschnou |
2021 |
Gernot Stadler |
2005, 2009, 2013, 2021 |
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