Der Herbst des Lebens zieht ins Land, und die Tage werden kürzer, die Schatten länger. So ist es hoch an der Zeit, sich einmal mehr auf den Weg zu machen, Menschen zu treffen und über Wunder zu staunen, die da draußen auf den warten, der sie sehen mag. Auf unserer Reise zu uns selbst besuchen wir heute ein Land mit steilen Pässen, endlosen Landstraßen, zerschossenen Bergen, tiefen Höhlen, kuriosen Burgen und einem idyllischen Tor zum Meer.
Motorrad-Tour durch Slowenien
Dober dan in Piran
von Gernot & Lisi Stadler
Wir alle kennen Slowenien, meist vom Durchfahren auf dem Weg an die Adria. Aber kennen wir dieses Land wirklich? Wer kennt den mit Kopfsteinen gepflasterten Vršič-Pass, die Hölle der Isonzo-Front, das romantische Bled mit seiner Kirche im Gletschersee, die unbezwingbare Höhlenburg Predjama, die atemberaubenden Tropfsteinhöhlen von Adelsberg oder das pittoreske Hafenstädtchen Piran? Und wenn wir schon bei den wichtigen Fragen des Lebens sind: wer kennt eigentlich Mittersill?
Tag 1: Feldkirch – Arlberg – Gerlos – Mittersill
Das fängt ja gut an
Es ist ein Montag im Mai in Feldkirch, und wir freuen uns: Peter & Sigrid, Traugott, Lisi und ich. Wir freuen uns, dass das schlechte Wetter endgültig abgezogen ist. Wir freuen uns auf uns und die kommenden Tage, und besonders freuen wir uns, dass uns Martha mit ihrer nagelneuen schwarzen Moto Guzzi V85 TT ein Stück des Weges begleiten wird. Kein Wort hat sie gesagt, und jetzt steht sie auf einmal da und lacht übers ganze Gesicht, und ihre Guzzi lacht zurück.
Auf der Autobahn durch den Walgau und das Klostertal grooven wir uns auf die kommenden 1.500 Kilometer ein. Viel Sonne, wenig Verkehr, aber nur 9° C am Arlbergpass. Die Kofferschlösser klicken erstmals, es wird kollektiv nach wärmenden Pullöverles gekramt.
Die Reiseleitung beschießt, dass wir auch nach Landeck dem geschwungenen Asphaltband der Landstraße den Vorzug geben. Es ist wärmer geworden und die KTM 990 Adventure, die beiden Guzzis V85TT und das Bayrische Schnabeltier BMW 1200 GS bollern mit herrlichem Zweizylindersound durchs Inntal bis kurz vor Innsbruck, wo wir zur Umfahrung der Knödelresidenz auf die Autobahn abbiegen. Unser Ziel ist Mittersill in Salzburg. Die Wahl der Oberpinzgauer Metropole bietet uns die Varianten bei Schlechtwetter über Kitzbühel oder bei Sonnenschein über die Gerlos und die Krimmler Wasserspiele.
Doch kurz vor der Ausfahrt ins Zillertal muht Peters Gummikuh und führt uns beim Lidl von Schwaz in ein romantisches Junk-Food Restaurant auf dem siedend heißen Parkplatz. Der Grund für den Ausflug in das kulinarische Mittelmaß ist der in Guzzi-Kreisen legendäre Motorbär in der Nähe. Dort will Peter „Guzzi schauen”, einfach so. Als er vom Chef gleich noch Top-Konditionen für die alte Gummikuh und Rabatz für die neue Guzzi angeboten bekommt, wird Peter sehr, sehr nachdenklich. Das Schnabeltier sollte sich noch rächen – später.
Martha hat genug von uns und nutzt die Gelegenheit um umzukehren – Sie verspricht, uns ein paar Tagen später in Bozen abzuholen. Martha und ihr neuer schwarzer Adler: die Götter lieben diesen Anblick!
Die Schönwetter-Variante durchs Zillertal hat uns über die Gerlos, wo die vollgepackten Bikes erstmals ins Schnaufen kommen, geführt. Abkühlung bringt ein Regenschauer und erstes Gelächter über die Ästhetik der Regenkombi-Gymnastik, die einzelne Teilnehmer beim Anziehen vollführen. Fünf Minuten später ist die Straße wieder trocken und das Schauspiel wiederholt sich – es sollte die einzige Darbietung des Regentanzes während der gesamten Reise bleiben.
Wir erreichen den Landhof Aigner im Zentrum von Mittersill – die beiden Empfangsdamen sind gastfreundlich aber strikt, was die Nutzung der Garage betrifft: die ist mit Geranientöpfen belegt, und die waren zuerst da, basta. Dafür erhalten wir ein heißen Gastrotipp: das Restaurant Bräurup serviert seit dem 15. Jhdt selbstgebrauten Gerstensaft, den wir ausführlichst verkosten. Dazu opulente Hausmannskost, abgerundet von der süßen Kalorienbombe warmer Salzburger Nockerln.
Auf dem Weg zum Bräurup hat leider noch eine Boutique widerrechtlich zu später Stunde geöffnet, und ich werde in eine neue Strickjacke gehüllt. Erstmals mache ich mir über das Koffervolumen sorgen. Mit Recht, wie die Zukunft zeigen wird.
Tag 2: Mittersill – Lienz – Arnoldstein – Kransjka Gora
Bauchkrämpfe am Morgen
Die Nacht verläuft friedlich, doch der frühe Morgen sollte mit argen Krämpfen und Atembeschwerden enden. Erst mache ich noch einen Spaziergang in Mittersill, wo ich von den Eingeborenen wie ein alter Bekannter gegrüßt werde, während mich die Schüler mit ihren E-Rollern als Slalom-Kippstange nutzen. Auch das reichhaltige Bio-Frühstück verläuft noch problemlos. Das Theater geht wenig später beim Packen der Motorräder los.
Den Anfang macht Traugott, der seinen Regentanz vom Vortag wiederholt. Mich beginnen derweil arge Muskelkrämpfe zu quälen. Lisi hat es weniger hart erwischt, nur Peter und Sigrid zeigen sich von der aufkommenden Epidemie unbeeindruckt.
Dann fängt auch Sigrid an zu würgen, und Minuten erwischt es auch Peter. Der Grund ist nicht das Frühstück, sondern die BMW GS. Um dieses nach meiner Meinung wandelnde Designverbrechen auf zwei Rädern endlich zu sühnen, hat Lisi ein buntes Mützchen für den hässlichen Schnabel gestrickt. Über Wochen, in stundenlanger Arbeit und mit Bommel, und endlich hat der Schnabel einen Zweck.
Die Zipfelkappe haben Unbekannte der BMW nächtens über den Schnabel gezogen und so die häßliche Ente zum stolzen Schwan werden lassen. Dass Peter dieses Redesign nicht früher bemerkt hat, zeigt, wie BMW Fahrer sich selbst schützen: sie schauen ihr Motorrad einfach nicht an. PS: Lisi überlegt, den Schnabelwärmer als sinnvolles Zubehör für den Riesenmarkt missgestalteter Gummikühe anzubieten.
Körperlich geschwächt machen wir uns aus dem Staub – unser ursprünglicher Plan über den Großglockner funktioniert nicht, der ist für Motorräder noch gesperrt. Auch das Nassfeld in Kärnten ist aufgrund der Unwetter vergangener Woche gesperrt. So bleibt uns nichts anderes, als die klassische Route über den Felbertauern nach Lienz zu wählen. Auch auf dieser bekannt neuralgischen Strecke kaum Verkehr. In Lienz finden wir per Zufall mit dem Gribelehof einen dieser Plätze, die man nicht vergisst: die Architektur der klassizistischen Villa, die beiden Chefinnen, die Teddybären im Pavillon und die Aussicht auf die Stadt erhalten von uns den Stempel „Geheimtipp”!
Nachdem wir im Gribelehof ordentlich Zeit vertrödelt haben, werden die Schatten schon länger. Wir bollern durch das Drau- und Gailtal und genießen Motorrad fahren in seiner perfekten Form: kein Verkehr, Kurvenschlangen ohne Ende, sämtliche Streckenposten im Innendienst, Traumwetter und Eiskaffee in Hermagor. Sogar ein kurzer Partnertausch ist mit drin: Peter will die Fahreindrücke auf der Guzzi vom Vortag vertiefen, während Lisi und ich derweilen auf der Gummikuh hocken müssen. Egal, es fehlen nur noch die Fahnenschwinger und Kärntner Männerchöre am Straßenrand und liebliche Dorfschönheiten, die uns frische Kirschen reichen.
Aber für süße Früchte ist es im Mai noch zu früh, deshalb verlassen wir Kärnten und überqueren die slowenische Grenze.
Wir landen in Kranjska Gora und unser Hotel steht direkt an der Weltcup-Piste, wo Marcel Hirscher viermal den Riesenslalom gewonnen hat. Das Hotel Alpina aus den 60er Jahren sieht entsprechend aus, erhält im Inneren aber gerade eine Totalrenovierung. Der Ort selbst ist keine Offenbarung, und so sparen wir hier wertvolle Worte für die Dinge, die da noch kommen werden.
Tag 3: Kransjka Gora – Soča-Tal – Bled
Krieg und Frieden
Kranjska Gora ist auch am Morgen nicht schöner geworden, und man merkt die Höhenlage von am Tau, der die Bikes nächtens überzogen hat. Was nicht dazu passt, ist der Tau in den Gesichtern von Peter und Sigrid, der eigentlich sich als Schweiß entpuppt. Das Mädel hat ihr Täschchen beim Abendessen im Dorf vergessen, und so haben beide schon eine Art Frühsport aus Laufen, Türklopfen und Radebrechen hinter sich. Aber alles gut, und wir fahren nach dem Frühstück guter Dinge los. Mit Sigrids Täschchen.
Wie ich dann mitten im Dorf meine Freunde verlieren konnte, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Gleichzeitig kein Netz zum Telefonieren ist der Klassiker und so fahren wir alle solange auf und ab, bis wir uns nach 30 Minuten zufällig wieder begegnen. Als wir dann in Richtung Vršič Pass fahren, kommt Kollega Traugott drauf, dass er zuwenig Tiger im Tank hat. Also nochmals retour ans andere Ende des Skizentrums und wir fahren zwei weitere Male durch Kranjska Gora. Die Einheimischen winken uns bereits freundlich zu. Alte Bekannte und so ...
Endlich dann doch der Vršič Pass mit seinen 24 Tornante auf der Nordseite, die teilweise noch mit Kopfsteinen gepflastert sind, für die russische Kriegsgefangene im WK 1 bluten mussten. Der mit 1611 m höchste befahrbare „asphaltierte” Pass Sloweniens bringt die vollbeladenen Bikes ordentlich zum Klingeln, das Ölthermometer der Guzzi V85 TT zeigt Rekordwerte (140° C) – ein externer Ölkühler wird beim nächsten Service ernsthaft diskutiert werden müssen.
Die Fahrt hinunter ins Soča Tal fordert die Bremsen – und die kurvenreiche Fahrt entlang des Isonzo gehört Besten, was Slowenien an Biker-Terrain zu bieten hat – die coole Kathie und die dicke BertaBerta liefern sich ein synchrones Schaulaufen im Vollgasmodus, bei dem die Guzzi dann nicht mehr mithalten mag – zumal ich den Antritt der beiden Gaskranken verpasst habe. Kurz vor dem nächsten, einem traurigen Höhepunkt der Reise stärken wir uns noch mitten in einer Kurve mit Landjägern und Schnifner Bergkäse aus Traugotts eiserner Reserve für schlechte Zeiten. Wo sind eigentlich die slowenischen Bären geblieben?
Berauscht vom Kurventanz im Soča Tal betreten wir das kleine WK 1 Museum in Kobarid. Und mit der Filmvorführung betreten wir den realen Wahnsinn eines Dutzends völlig sinnloser Isonzo-Schlachten. Es begann 1915 mit dem Seitenwechsel der Italiener ins Lager der Alliierten und endete mit einem Remis beim Zusammenbruch des österreichischen Kaiserreichs.
Dazwischen kostete der kollektive Größenwahn in nur drei Jahren mehreren hunderttausend Menschen das Leben, die Gesundheit sowie den Glauben an die Menschlichkeit. Das grausame Gemetzel brachte keinen Gewinn für niemanden, obwohl großzügig schwere Waffen mühsamst auf die Gipfel geschleppt, Giftgas in rauen Mengen eingesetzt und ganze Berge ausgehöhlt und die Kuppen weggesprengt wurden.
Dass wir genau in dem Monat in diese Tragödie eintauchen, in dem ein neuer Psychopath zeitgleich mit seiner „präzisen Militäroperation” Städte in Schutt und Asche legt, macht vor allem Traugott zu schaffen – vor wenigen Jahren ist er mit dem Motorrad solo durch die Ukraine und Russland gereist und hat dort wunderbare Menschen getroffen und Gastfreundschaft ohne Ende erlebt.
Wir lernen an diesem traurigen Tag in Kobarid, dass der Mensch als einziges Lebewesen die fragwürdige Fähigkeit – sprich: Dummheit – besitzt, sich selbst zu eliminieren. Und den gesamten Planeten gleich dazu.
Nachdenklich fahren wir weiter. Wir vergessen die Besichtigung der berühmten Napoleonbrücke und biegen bei Most na Soči östlich ab ins Bača-Tal auf die Route 403. Auch hier lädt traumhaftes Biker-Revier zum wilden Ritt durch Wälder und Wiesen und Auen ein – nur manchmal unterbrochen durch kleine Orte, wo wir respektvoll vom Gas gehen.
In dieser Gegend soll es eine ganz berühmte, schmackhafte Forellenart geben aber wir nehmen uns diesmal nicht die Zeit dafür. Immer noch müssen wir an das Grauen der Isonzo-Schlachten denken. Deshalb verpassen wir auch die Abzweigung auf die Rumpelpiste 909 nach Norden. Längst habe ich mein dummes Navi-App geschlossen und wir landen wir auf einem Höhenrücken im Nirgendwo. In meinem Kopf beginnt John zu singen:
He's a real nowhere man
Sitting in his nowhere land
Making all his nowhere plans for nobody
Irgendwann landen wir dann in Škofja Loka und später in Kranj. Diese Orte stehen zwar nicht auf meiner Planung, aber immerhin sind wir wieder unter Menschen – längst habe ich die Führung elegant delegiert, das mache ich immer so, wenn´s kompliziert wird ...
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Irgendwo im einsamen Kurventanz zwischen Most na Soči und Škofja Loka.
Die Sonne steht schon tief, und wir sind müde und gerädertal s wir im Old Parish House in Bled einchecken. Wir stolpern die paar Schritte hinunter zum See und genießen den Blick auf Burg Bled und die kleine Insel mit der berühmten Kirche.
Die Touritipps für Gäste im Old Parish House hat keiner von uns gelesen haben, somit entgeht uns, dass einen Steinwurf entfernt eine Pizzeria und weitere gastronomische Highlights auf uns warten würden. Wir dagegen landen in einem Thailändischen Restaurant am gegenüberliegenden Seeufer. Nichts gegen Thailand, aber die zwei von fünf Pfefferoni-Schärfe-Skala bei meinem Gericht verschlägt mir für diesen Abend schlichtweg die Sprache. Sigrid schweigt mit mir, sie hat dasselbe bestellt.
Die Nacht verbringen wir in himmlischem Frieden, bis die Kirche um Punkt 6:00 Uhr los kräht. Das Frühstück ist ein Traum, die Mesnerinnen ebenfalls – und Bled daher eine weitere slowenische Empfehlung auf unserer Slowenien Liste.
Tag 4: Bled – Dražgoše – Postojna
Hölle und Höhle
Entspannt und irgendwie beinahe heilig nach der Nacht im Mesnerhaus von Bled machen wir uns auf eine vermeintliche kurze Etappe in Richtung Süden mit dem Ziel Postojna. Vorher müssen wir aber noch im Dino-Park shoppen gehen – Enkelsöhne sind grundsätzlich große Fans von Sauriern, und so erfüllt Opa Traugott seine Mission für den Sprössling.
Wir queren die Save und nehmen Straße 635 nach Süden. Immer kleiner werden die Orte, immer enger wird die Straße und immer höher führt sie hinauf. Durch Wälder, Wiesen. Kropa mit seinen 839 Einwohnern und der traditionellen Eisengewinnung gilt hier schon als Industriezentrum.
Als die Straße dann noch schmaler wird und wir befürchten, dass sie bald als Schotterweg im Nirwana enden wird, öffnet sich die Szenerie und wir stehen vor einem gewaltigen Denkmal, dem Spomenik Cankarjevega bataljona v Dražgošah.
Dieses imposante, begehbare Kunstwerk wurde 1976 von den Künstlern Boris Kobe, Stojan Batič und Ive Šubic geschaffen und erinnert an die „Schlacht von Dražgoše” im Januar 1942, bei der 200 Partisanen drei Tage lang der Übermacht von 2.000 deutschen Soldaten Widerstand leisten konnten.
Der slowenische Mut nützte allerdings nur wenig, denn nach der Flucht der überlebenden Partisanen wurden 50 Dorfbewohner hingerichtet und Dražgoše niedergebrannt. Aus Rache, aus Brutalität, aus Kalkül. Das begehbare Mahnmal mit seinen eindrücklichen Bronzefiguren, der Aussicht auf das einstige Schlachtfeld und das große Mosaik unterhalb der Straße machen uns zum zweiten Mal auf dieser Reise tief betroffen. Wir erinnern uns an die „Nie-wieder-Krieg” Reden, die dann aber immer so schnell vergessen werden. Die vermeintlichen „Herrenmenschen”, diese kranke Mischung aus kleinen Geistern mit großen Komplexen, scheinen nicht aussterben zu wollen ...
Neben uns macht auch ein Trupp italienischer Ducati-Fahrer halt. Und während ich das Denkmal fotografiere, fraternisiert Lisi mit den Tifosi. Deshalb dränge ich zur Eile, und wieder zeigt sich die schöne Seite Sloweniens für Biker – wir werden ganz rauschig ob der vielen Kurven auf dem Weg nach Adelsberg. Kurven, die zum Grande Finale in eine Art Bergrennstrecke münden: Doppelte Leitplanken, griffiger Asphalt, Kurvenradien aller Arten. Wir lassen sie fliegen, die schöne Kathi, die dicke Berta und das rote Luder aus Mandello. Mit leicht erhöhter Öltemperatur laufen wir in Postojna ein – die lange Gerade heißt mit Sicherheit „Boulevard der Sieger”, zumindest wir fühlen uns so. Im Hotel Kras, unter den besten Hotels von booking.com auf Nr. 1 gelistet, werden wir schon von Miss Slovenia erwartet, während die Bikes in der Tiefgarage glücklich abkühlen.
Apropos abkühlen – Frage: wie kühle ich mich bei einer Außentemperatur von 25° C so lange wie möglich auf 9° C ab?
Antwort: ich nehme den Zug von Postojna und fahre zur Hölle – und zwar in die zweitgrößte Tropfsteinhöhle der Welt! 24 km lang ist die Königin der Höhlen, davon sind 5 km touristisch erschlossen.
Der Höhlenzug wackelt durch die Gänge und du ziehst automatisch den Kopf ein, bevor du im Höhlenbahnhof aussteigst. Dort, über zwei Kilometer tief im slowenische Karst, wanderst du durch eine pittoreske Welt, durch Räume, die bis zu 40 Meter hoch sind. Namen wie „Großer Berg”, „Spaghetti-Saal”, „Roter Saal”, „Russische Brücke” bis zum berühmtesten Tropfstein und Symbol der Höhle von Postojna – dem Brillanten – sprechen für sich.
Wir bestaunen dieses Meisterwerk der Natur und dann – als wir wieder aus der Tiefe emporsteigen – die Meisterwerke weiblicher Schönheit, die sich zur Blauen Stunde in Postojna treffen. Wir dagegen treffen Wolfgang und Brigitte, die ihre Jobs geschmissen haben und mit ihrem Wohnmobil auf einem One-Way-Ticket in Richtung Balkan unterwegs sind. Wir verbringen zusammen einen spaßigen Abend mit Freunden, und Peter ertränkt seine Froschschenkel in slowenischen Spirituosen.
Tag 5: Postojna – Predjama – Piran
Tod auf dem Klo
Abfahrt aus Adelsberg: Miss Slovenia macht noch ein Abschieds-Selfie von sich (und uns). Und auch Traugott nimmt im Kreisverkehr die Ausfahrt nach Westen, während wir nach Norden abbiegen. Dringende Dinge gilt es für ihn zu erledigen und entpuppen sich Peter mit Sigrid sowie Lisi und als harter Kern der dezimierten Reisegruppe. Wir wollen noch die berühmte Höhlenburg Predjama besuchen, bevor wir uns dann für zwei Tage zur Sommerfrische ans Meer begeben werden. Das ist der Plan.
Aber daraus wird vorerst nix – Peters Schnabeltier rächt sich für dessen Flirt mit einer jüngeren am ersten Tag bei Motorbär in Tirol: die BMW macht auf Inkontinenz und tropft Benzin auf den Auspuff. Wir finden eine Werkstatt, dort lautet die Diagnose des Meisters: Benzinpumpe kaputnik, Lieferung in ein oder zwei Wochen, oder so.
Sigrid schmeißt sich weg, aber diesmal nicht, weil wir´s so lustig haben. Lisi surft die Nummer vom ÖAMTC. Wir Männer denken nach, reiben uns an der Nase, und haben – wie einst Wicki – eine Idee: aus reinem Urinstinkt aus meiner Erfahrung mit alten Guzzis habe ich meinen Power Glue made in Austria eingepackt. Und da wir eh nichts mehr kaputt machen können, „schweißen” wir den Riss an der Benzinpumpe mit Granulat und Superkleber – übrigens ein Konstruktionsfehler, für den BMW eine weltweite Rückrufaktion für über 50.000 Modelle durchführen musste.
Unser erster und einziger Versuch gelingt, und so wird die BMW jetzt bis ans Ende ihrer Tage nie mehr ein Problem mit ihrer Benzinpumpe haben. Und weil wir grad beim Service sind, schmieren wir die Gummidichtungen der Pumpe gleich noch mit Lisis Lippenbalsam von Louis Widmer ein. Sicher ist sicher.
Stolz und vollgepumpt mit Adrenalin von der Rettung der Gummikuh erstürmen wir die Höhlenburg Predjama. Dieses spektakuläre Bauwerk klebt vor einer Höhle am Felsen und wurde nie erobert. Im Gegenteil: als weiland Raubritter Erasmus einst ein Jahr lang belagert wurde, ließ er die Feinde von der Burg aus mit gebratenem Ochsenfleisch und frischen Kirschen bewerfen, die er über einen geheimen Höhlenweg von draußen besorgen konnte. Sein Leben endete anscheinend ebenfalls eher skurill: durch Beschuss seiner Toilette, während er auf derselben geschäftlich thronte.
Der Besuch der Höhlenburg von Predjama ist absolut empfehlenswert, Kombitickets mit den Höhlen von Postojna helfen Eintrittsgelder sparen. Lisi macht einem jungen Südkoreaner auf Europa-Trip eine Riesenfreude, als sie ihm Traugott´s Eintrittskarte schenkt, der zu dieser Zeit bereits in den Dolomiten sein sollte, auf dem Weg nach Hause.
Ein paar Stunden später – wir nehmen die Bundesstraße 409 – riechen wir erstmals das nahe Meer, lange bevor wir es bei Koper sehen können. Die Spannung steigt, als wir das Fischerstädtchen Piran erreichen. Durch die Schranken, die den Verkehr vom malerischen Zentrum abhalten sollen, werden unsere Motorräder einfach durchgewunken. So parken wir direkt vor unserem traumhaften Appartement am malerischen Hafen. Und kurze Zeit später dinieren wir an der Strandpromenade, während die Sonne im Meer versinkt.
Zu Hause im Apartment Rebecca – wir haben einheimische Salami, einheimischen Käse und einheimischen Wein mitgebracht – versenken wir den Abend standesgemäß kulinarisch, während im Hafen eine Live-Band uns zu Ehren ihr Bestes gibt.
Tag 6: Piran
„Wo ist das Salz?”
Am nächsten Tag haben wir frei, ein Teil der Reisegruppe besichtigt die Salinen von Sečovlje, während sich der andere Teil einer wahren TV-Geschichte von Rosamunde Pilcher hingibt. Aus Datenschutzgründen wird hier nicht erwähnt, wer hier was unternommen hat.
Das Salinen-Team ist relativ enttäuscht, da es nach Bezahlung von 8,50 EUR Eintritt pro Person und einer Wanderung von eineinhalb Kilometern in glühender Hitze außer einem Kiosk mit vier besoffenen Kärntner Weibern keine weiteren Attraktionen wahrnehmen kann. Die Frage: „Wo ist das Salz?” wird mit „Komm im Juli wieder!” eher unbefriedigend beantwortet.
Zurück in Piran läuten wir den späten Nachmittag mit einem Spaziergang an der Mole und einer Entdeckungsreise durch die engen Gassen ein, unterstützt von ein paar kräftigen Cocktails und einem fantastischen Dinner. Und während sich Peter und ich romantisch auf einer weißen Parkbank an der Promenade räkeln (gratis) und einen springenden Thunfisch im Abendrot bewundern (gratis), schlagen die Damen – zumindest eine davon – in Pirans Boutiquen zu (gar nicht gratis). Fortan wird die arme V85TT nochmals ein paar Pfunde mehr schleppen müssen, während ich mich selbst im Schweiße meines Angesichts zum „Arzt des Verstauens” hocharbeite.
Der Ruhetag in Piran hat uns allen gutgetan – und spät abends, nach einer roten und einer weißen Flasche slowenischer Reben und während eines weiteren Live Konzerts, entwerfen und verfilmen wir den Titel dieses Berichts: Dober dan in Piran!
Tag 7: Piran – Belluno – Bozen
Platzangst nach Campari-Orgie
Der Morgen graut und uns graut vor der ewigen Durchquerung der venetianischen Ebenen, die der Tagliamento und die Piave durchpflügen: Abschied vom Meer in Koper nehmen, Verkehr in Triest verfluchen, Kilometer auf der A28 fressen, während die Birnen unterm Helm immer weicher garen. Wir laufen inzwischen gefühlt jede dritte Bar auf der Überlandstraße an und schütten uns mit Aqua Naturale voll bis wir endlich in Belluno landen.
Vier Stunden zuvor sind wir noch beim Frühstück im kleinen Hafen von Piran gesessen, haben einen letzten Blick auf die Fenster unseres Appartements geworfen, und die Guzzi auf die Hafenmole gefahren, zum Fotografieren, weil das Licht gerade so schön war. Die Streckenposten haben freundlich gegrüßt als ein neuer, entspannter Tag seinen Lauf nahm im malerischen Piran. Prädikat: Wir kommen wieder!
Jetzt haben wir die mühsamen 220 Kilometer abgespult und tauchen bei Belluno wieder in Bikers Traumrevier ein. Man sieht es am plötzlich stark steigenden Anteil an Knieschleifern, dass wir uns dem Jagdgebiet der Dolomiten nähern. Wir nehmen die Route Richtung Bozen über den San Pellegrino Pass – und bereuen das nicht: 60 spannende Kilometer bei relativ wenig Verkehr. Nochmals 40 Kilometer später durch das Val di Fiemme erreichen wir die Passhöhe am Lavazè und haben großes Glück: eigentlich ist der Pass bis heute noch gesperrt, aber weil Sonntag ist, ist die Strecke inoffiziell schon passierbar. Italien!
Über den Lavazè Pass cruisen wir die letzten 30 Kilometer des Tages durchs Eggental nach Bozen. Im Hotel Post in Gries werden wir erwartet: vom Lift, der heute noch eine Rolle spielen wird, und von Martha mit ihrer schwarzen Göttin, die wir schon von Tag 1 kennen.
Machen wir´s kurz: wir feiern ein fantastisches letztes Abendmahl im Batzen Häusl zu Bozen, wo wir dem selbstgebrauten Bier ausführlichst zusprechen und dann selig quer durch die Altstadt in Richtung Gries wanken. Kurz vorm Hotel versacken wir dann endgültig in einem wunderschönen Garten mit einer ebensolchen Wirtin und trinken all die Camparis, die wir unterwegs vergessen haben zu trinken. Und weil es sonst auch nix mehr gibt, von der schönen Italienerin.
Die Campari-Orgie war der erste Fehler des Abends, die anschließende Liftfahrt im Hotel ist dann der zweite: wir stehen zu fünft im kleinen Lift und fragen uns noch, wie es sich anfühlen würde, falls er stecken bliebe? Der Lift kann Gedanken lesen und bleibt stehen. Wir finden das irgendwie witzig, der Portier nicht und auch der Lift rasselt in den Keller. Uns ist das Lachen vergangen, Peter, Sigrid und Martha nehmen die Treppe in den dritten Stock, und am nächsten Morgen lesen wir an der Liftwand: max. 1 Person Zuladung. Unbewusst nehmen wir wahr, dass wir die Schrecksekunde der gesamten Motorrad-Tour ausgerechnet im Hotel erlebt haben.
Tag 8: Bozen – Reschenpass – Arlberg – Feldkirch
Moto GP im Vinschgau
Wir checken früh aus im Hotel Post, denn wir spüren, dass auch der uns bisher so wohl gesonnene Wettergott so langsam eine Pause braucht. Interessant, dass wir heute trotz Gepäcks lieber zu Fuß vom 3. Stock in Richtung Tiefgarage tänzeln. Irgendwie hat keiner Lust den Lift zu nehmen ...
Der Verkehr von Bozen nach Meran ist schütter, auch die Blechlawine im Vinschgau Richtung Reschenpass ist überschaubar. Um den Rhythmus eines zügigen Fahrmodus' zu finden, studiere ich zwei BMWs mit dem Zusatz RR, die vor mir fahren. Deutsche Nummer, Schwabenleder, Helm à la VR46, und so. Die beiden Piloten bieten ein ausgesprochen professionelles Bild: Zick-Zack zum Reifen aufwärmen, Schulter dehnen, Kopf strecken, Kombi zupfen. Als vor ihnen ein Auto bremst, legen sie einen atemberaubenden Marquez-Safe hin: sie kollidieren (knapp) nicht! Und das bei irrwitzigem Tempo von beinahe 60 km/h! Ich habe jetzt meine Gegner genug studiert und überhole auf der nächsten Geraden. Nicht gedehnt, nicht gestreckt und ohne Blinker. Martha wiederholt das Manöver mit Klette Peter im Schlepptau. Ich sehe im Rückspiegel die beiden Fäuste der zwei Schwabenleder fuchteln. Vielleicht ist das aber auch nur eine weitere Aufwärm-Übung.
Wir finden einen coolen Rhythmus trotz des zunehmenden Verkehrs und können gut zusammenbleiben. Bei der Auffahrt zum Reschen erwischen wir eine der seltenen Verkehrsflauten, und wir ziehen voll durch bis hinauf zum versunkenen Kirchturm. Dort posieren beide Guzzis für ein Gruppenbild mit Turm und Martha darf zum ersten Mal überhaupt auf dem Reschen einen Cappuccino geniessen.
Als wir die Rampe hinunterfahren, beginnt es wie vor acht Tagen kurz zu regnen. Doch als wir nach dem Tunnelsystem Landeck erreichen, haben wir wieder Glück: der Regenwolken haben sich verzogen. Dasselbe Bild bei der Anfahrt zum Arlberg – die menschenleere Panoramastraße trocknet gerade vom letzten Schauer auf und wir kommen trocken über den Pass. Am frühen Nachmittag sitzen wir dann alle gesund und munter zu Hause.
Und es beginnt, aus allen Kübeln zu schütten.
Infos / Routenplaner
Motorradtour Österreich – Slowenien – Norditalien
Route gesamt: | Feldkirch - Innsbruck - Gerlos - Mittersill - Felbertauern (Variante: Großglockner) - Lienz - Drautal - Hermagor (Gailtail) - Arnoldstein - Kransjka Gora - Kobarid - Most na Soči - Bled - Dražgoše - Postojna - Predjama - Koper - Piran - Triest - Belluno - Bozen - Reschen (Variante Timmelsjoch) - Feldkirch |
Tagesetappen (6): | Feldkirch - Mittersill, Mitersill - Kransjka Gora, Kransjka Gora - Bled, Bled - Piran, Priran - Bozen, Bozen - Feldkirch |
Streckenlänge: | 1.543 km |
ø Geschwindigkeit: | 60,4 km/h |
ø Verbrauch: | 4,6 l/100 km (Moto Guzzi V85TT) |
Alle Angaben ohne Gewähr |
Feldkirch – Gerlos – Mittersill
Distanz gesamt: 302 km
Reine Fahrzeit: 4:30 h
ø Geschwindigkeit: 66 km/h
Unterkunft: Landhaus Aigner
Mittersill – Lienz – Kransjka Gora
Distanz gesamt: 189 km
Reine Fahrzeit: 2:54 h
ø Geschwindigkeit: 61 km/h
Kransjka Gora – Kobarid – Bled
Distanz gesamt: 219 km
Reine Fahrzeit: 4:27 h
ø Geschwindigkeit: 49 km/h
Unterkunft: Old Parish House
Bled – Dražgoše – Postojna
Distanz gesamt: 122 km
Reine Fahrzeit: 2:17 h
ø Geschwindigkeit: 53 km/h
Unterkunft: Hotel Kras
Postojna – Predjama – Piran
Distanz gesamt: 86 km
Reine Fahrzeit: 1:20 h
ø Geschwindigkeit: k.A.
Unterkunft: Apartment Rebeca
Piran – Belluno – Bozen
Distanz gesamt: 354 km
Reine Fahrzeit: 5:59 h
ø Geschwindigkeit: 59 km/h
Unterkunft: Hotel Post, Gries
Bozen – Reschenpass – Feldkirch
Distanz gesamt: 257 km
Reine Fahrzeit: 3:49 h
ø Geschwindigkeit: 67 km/h