150 km mit getaptem Reifen

 

Abenteuer Sardinien

von Raimund Brüstle

Ein Frühlings-Trip mit Freunden nach Sardinien sollte es werden. Ein ziemliches Abenteuer, vor allem wegen eines abgefahrenen Hinterreifens, ist es für unseren Guzzisti Raimund und seine California geworden. Die Suche nach einem neuen Reifen war schlussendlich doch noch erfolgreich, und so kann er uns nach seiner gelungenen Rückkehr von seiner sardischen Gummisuche berichten.

 

Abenteuerliche Anfahrt über den eisigen Splügen

Nachdem wir zu 5. am Donnerstag um 8.00 Uhr bei Kaiserwetter mit Route San-Bernardino Pass gestartet sind, müssen wir nach dem Tunnel feststellen, dass die Strasse zum Pass noch nicht geräumt wurde. Also zurück und über den Splügen mit viel Split und vereisten Stellen, die die Kurven zu Abenteuern werden lassen. Begleitet wird meine Guzzi von drei Triumphs und einer Harley. Die wundern sich alle, dass ich problemlos mithalten kann. Nach zwei Tankstopps, Staus wegen Verkehrsunfällen und mehreren Baustellen schaffen wir es doch noch pünktlich auf die Fähre in Genua. 

Die Kurven Sardiniens machen süchtig

Nachdem wir mit der Frühfähre in Porto angekommen sind, durchqueren wir die Sardinien und kommen nach kurvenreicher Strecke in Arbatax an,  wo wir zwei Nächte in einer Finca schlafen werden.
 
Tagsüber machen wir Ausflugsfahrten im Umkreis mit Besichtigung der Marnota Grotte. Die12,- EUR Eintritt sind dieses Naturphänomen wert. Unterschätzen darf man die Stiegen zur und in der über ein Kilometer langen Grotte allerdings nicht, zwei Stunden sollte man schon einplanen. 
 
Am 1. Mai ist hier in der Nähe ein Bergrennen für Motorsportfans. Vom kleinen Fiat Abarth bis zum Buggy und Formel Ford sind fast 100 Autos am Start. Wir sind am Vortag die Rennstrecke abgefahren. Meine Reifen scheinen sich nur noch seitlich abzunützen. Da die meisten Camingplätze noch zu bzw. in der Vorbereitungsphase für den Saisonstart sind, entschließen wir uns auf der 125er Straße ganz in den Süden zu fahren, etwas abseits der Hauptstadt, direkt am Meer. 
 
Inzwischen habe ich 1.000 km auf dem Tacho mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 70 km/h trotz unzähliger Kurven. Scheinbar sind die Straßen nicht mehr so gut wie früher, aber es gibt wenig Verkehr, da noch kaum Touristen da sind. In der Dämmerung ist die Gefahr von Wildschwein-Begegnungen sehr groß. Wir haben bisher allerdings nur ein Schwein am Ortsrand gesehen. 

Schlechtes Wetter und gesperrte Straßen

Die Reise geht weiter in den Süden, da meine Kollegen unbedingt einen Tauchgang absolvieren wollen. Aber fast alle Tauchschulen und Campingplätze sind noch geschlossen. Wir haben uns im Hotel Calamoska eingenistet: Prädikat empfehlenswert. Wir bekommen zwei Zimmer mit Frühstück und es ist besser als jeder Campingplatz, traumhafter Meerblick inklusive.
 
Tagsüber fahren wir die gesperrte Küstenstraße ab bis zur sensationellen Costa Rey. Warum die Straße gesperrt ist, wissen die Götter. Nach zwei Nächten fahren wir die ex 125er Straße hoch bis kurz vor Olbia, Costa Esmeralda und Costa Cinta. Ein Campingplatz offerierte uns zwei sehr enge Bungalows um 160,- EUR ohne Frühstück. Im Hotel daneben (Onda Marina) bezahlen wir 150,- EUR für drei Zimmer inklusive Top-Frühstück.
 
Leider können wir wegen schlechtem Wetter nur kurze Tagesausflüge machen. Es sind sehr wenig Guzzis zu sehen, aber viele „Eingeborene” winken und lachen wenn sie eine Guzzi erkennen. Wir fahren weiter Richtung Porto Torres, dem Zielhafen. Dort steigen wir im Hotel Antices in Castelsardo ab und geniessen heimische Spezialitäten. Für mich das Highlight der Reise, was das Preis-/Leistungsverhältnis angeht.

Das Ende einer Reise (und eines Reifens)

Nach unserer Fahrt in den Norden, haben wir nach wegen zweier Regentage mit kurzen Auflockerungen nur kurze Tagesausflüge untenehmen können. Unser Glück: trotz Wetterbericht mit 80% Regenwahrscheinlichkeit sind wir nicht nass geworden. Probleme macht mir aber mein Hinterreifen: bei der Abreise noch ca. 2,5 -2,7 mm Profil, habe ich inzwischen einen Slick und auf der Seite noch 2 mm.

 

Ich frage bei mehreren Reifenhändlern, aber keiner scheint meine Dimension 140/80/17 zu haben. So fahre ich dann auf dem Weg zum Fährhafen über Sassari, denn da gibt es einen Guzzi-Händler. Dieser telefoniert im Umkreis von 150 km herum aber niemand scheint die benötigte Dimension auf Lager zu haben. Langsam rinnt mir die Zeit davon, denn am Abend um 8.30 legt in Porto die Fähre nach Genua ab. Dort sollte ich bestimmt – allerdings nicht am Sonntag – einen passenden Reifen bekommen.
 
Inzwischen habe ich die schlechteste Stelle, dort wo die Leinwand schon sichtbar wird, mit Powertape geschützt. Manche werden jetzt den Kopf schütteln, aber so habe ich 150 km geschafft, ohne daß der schadhafte Teil schlimmer wurde. Der Klebstoff hat sich eingearbeitet, die Fasern der Leinwand sind nicht mehr sichtbar. 
 
Meine Kollegen fahren am Sonntag früh von Genua nach Hause, sie müssen am nächsten Tag wieder arbeiten. Ich als Pensionist habe Zeit, mir einen Tag lang Genua anzusehen. Mein Basislager ist ein Hotel in der Nähe von zwei Reifen- und einem Moto Guzzi Händler. Nachdem die Reifenhändler rundherum telefonieren und nur Absagen erhalten, wende ich mich an den Guzzi Händler. Dieser telefoniert ebenfalls herum und gibt mir zwei Adressen am anderen Ende der Stadt.

 

Schließlich entscheide ich mich für einen gebrauchten, breiteren 150/70/18 Reifen, der passen und mich wenigstens nach Hause bringen sollte. Der Reifenhändler verweist mich darauf, daß es nicht zulässig ist, einen anderen Reifen wie im Zulassungs-Schein eingetragen zu montieren. So muss ich ohne Rechnung bezahlen und auf eigenes Risiko losfahren. Dabei dürfe ich nicht schneller wie 50 km/h fahren, gibt er mir noch warnend mit auf den Weg.

Nach ein paar Testkurven düse ich dann ganz normal wie vorher weiter. Zuerst die Autobahn hoch bis Como, dann über Lugano-Bellizona über den San-Bernardino, welcher einen Tag vorher geöffnet wurde. Das Komische ist, dass sich außer zwei Radfahrern kein einziges anderes Fahrzeug auf der Strecke befindet. Ein Traum!
 
Kurz vor Chur erwischt mich dann ein Gewitter und ich muss doch noch in die Gummihose rein. Abends um 21.00 bin ich dann zu Hause. Offene Fragen zum Thema „Reifen mit Powertape” werden beim Stammtisch beantwortet.