Der Herbst des Lebens zieht ins Land, die Tage werden kürzer, die Schatten länger. Und so ist es hoch an der Zeit, sich noch einmal auf den Weg zu machen. Spannende Menschen treffen. Über Wunder staunen, die da draußen auf den warten, der sie sehen mag. Auf unserer Reise zu uns selbst pilgern wir dieses Mal zur Hochkultur nach Hamburg, begleiten den Rattenfänger von Hameln und lernen, frei nach Schiller, unsere Pappenheimer kennen.

 

Moto Guzzi Uraufführung in Bestbesetzung:

 

Konzert für Zweizylinder, Orchester und Cello

Mit dem Motorrad rund um die Elbphilharmonie

 

Text und Bild von und mit Gernot & Lisi Stadler, Konzertkommentar von Traugott Schneidtinger

Es gibt mehrere Arten, die Hamburger Elbphilharmonie zu umrunden: sportlich zu Fuss (ca. 15 min), seemännisch per Boot (ca 1,5 h) oder verrückt mit dem Motorrad (ca 2.368 km) – wer sich für letzteres entscheidet, bekommt zum Cellokonzert in der Elphi noch eine Extraportion deutscher Flüsse als umjubelte Zugabe: Rhein, Mosel, Weser, Elbe, Spree, Havel oder Donau.

 

Ouvertüre oder: der lange Weg gen Norden

Moto Guzzi Motorrad Tour Deutschland

Kathi (rechts) und die rote Göttin auf den Spuren der Hochkultur.

Reiseleiter Traugott, Gemahlin Elisabeth und mein künstlerisches Alter Ego haben eine Idee: die Verbindung von Motorrad. Und Reisen. Und hochkarätigen Klassikevents. Am liebsten in spektakulären Locations mit herausragenden Konzertsälen. Also suchen wir nach den in Frage kommenden Zielen dieses Sommers und werden fündig im hohen Norden: ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie wirbt noch um Besucher. Das Concertgebouworkest Young Orchester Amsterdam unter Elim Chan und der wunderbaren Solo-Cellistin Julia Hagen aus Salzburg haben sich in einem wochenlangen Probemarathon drei Spitzenwerken der klassischen Musik des 20. Jhdts. gestellt und werden diese Weltmusik im Rahmen des Elphi-Sommers konzertant präsentieren. Exklusiv für uns, wie wir uns einreden, und so satteln wir die Pferde: eine Kathi 990 Adventure und die rote Guzzi V85TT und reiten den langen Weg gen Norden.

1. Satz oder: der Minnesänger, der Prinz und die Muse Susi

Moto Guzzi Motorradtour Schwarzwald

Schwarzer Wald mit Aussicht und Kurvenspass auf der klassischen B 500 Hochwaldstraße.

Es schüttet aus allen Kübeln. Nach Tagen, ja Wochen unerträglicher Hitze versinkt das Vorarlberger Rheintal in einer prasselnden Regenbombe. Weltuntergangsstimmung. Die Pferde weigern sich, den Stall zu verlassen. Wir warten. Und warten. Und nutzen nach zwei Stunden ein plötzliches, kleines Wolkenfenster. Regenzeug an, Kompass an, Motor an. Aufsitzen und in vollem Galopp ab durch die Mitte. Den Nordlichtern entgegen.

 

Szenenwechsel. Donaueschingen und Black Forest. Der freundliche Italiener am Hauptplatz übertreibt mit seinem Vorspeisenteller für 10 Personen. An Schramberg schrammt neuerlich die Gewitterbombe vorbei, in Freudenstadt kommt ebensolche auf nach dem scharfen Ritt auf der Schwarzwälder Hochstraße, untermalt mit köstlicher Schwarzwälder Kirschtorte. Dann ankern in Haguenau in einem französisch-schlampigen Hotel mit hauseigener Dogge namens Voltaire, die ihre angebundene Couch fröhlich mit sich schleppt. Der Tag versinkt in einem Gedicht aus Creme brulée.

Moto Guzzi Motorradtour Mosel

Endloser Kurvenspass vom Rhein über den Hunsrück an die liebliche Mosel.

Moto Guzzi Nürburgring

Tag zwei durch die nördlichen Vogesen und die Wälder und Auen auf den 70km entlang der D662 bringt mich zum Träumen: Auftritt der Guzzi als edles Ross Rosinante. Ich gebe Hugo den Minnesänger, reite elegant durch das späte Mittelalter, klopfe an die Tore versteckter Chateaus und beglücke edle Damen mit frivolem Gesang. Solange, bis die Gemahlin an den Helm klopft und mich brutal aus dem Mittelalter reißt. Zurück in der Realität stehen in Sichtweite die ersten Streckenposten mit ihrem mobilen Grenzzelt bei Hornbach – dem Ort, nicht dem Baumarkt. Apathisches Durchgewinke und weiter gen Norden geht die wilde Hatz. Übers wellige Land des Hunsrücks, durch den Zauberwald und vorbei an pittoresken Dörfern deren schönstes, Traben-Trarbach, an der mäandernden Mosel schläft.

 

Die Gäule sind längst wieder zu Motorrädern mutiert – das Tempo wird wieder schärfer, weil es durch die Vulkaneiffel an den Nürburgring geht. Die Gummispuren auf dem Rennasphalt der Hocheiffel zeigen, dass es ein Leben außerhalb des Ringes gibt. Im Gegensatz zu Bonn, das mit dem Rücken zum Rhein von vergangenen Zeiten träumt. Essen beim Vietnamesen und wallende Kaftans im Dunkel der Nacht – die ehemalige Hauptstadt Germaniens ist für mich jetzt schon die Enttäuschung dieser Reise nach einem Tag voller fahrerischen Höhepunkte.

Moto Guzzi Motorradtour Teutoburger Wald

Ruhe im Teutoburger Wald – die Germanen haben inzwischen das Römische Reich erobert.

Moto Guzzi Motorradtour Hameln

Tag drei und was sonst noch geschieht: Frühstück in Bonn. Beschauliches Cruisen bis Lohmar, dann dezentes Angasen auf der B 507. Eiskaffee am Biggesee. Truppenverlagerung in den Teutoburger Wald. Und weiter durch die deutsche Einsamkeit namens Sauerland. Ehemalige Sportmetropolen aus Hand- und Fussball wie Gummersbach und Paderborn pflastern unsern Weg bis wir in Hameln, der Hauptstadt des Rattenfängers landen. Die Sage vom Rattenfänger von Hameln handelt von einem bunt gekleideten Mann, der die Stadt von Ratten und Mäusen befreit, indem er sie mit seiner Flötenmusik weglockt. Da der Rat ihm den versprochenen Lohn verweigert, kehrt er zurück und lockt mit seinem Flötenspiel alle Kinder Hamelns aus der Stadt. Der Rattenfänger führt die Kinder fort und verschwindet mit ihnen – sie werden nie wieder gesehen. Wir stellen uns in der Märchenstadt die Frage, ob sich die Geschichte aktuell eventuell wiederholt?

  

Darüber hinaus ist Hameln eine wunderbare kleine Fachwerkstadt mit deutscher Küche, die aber bereits um 20 Uhr den Gehsteig hochklappt. Echte Deutsche Kost mit Kellnerin, die erst beim Kassieren lacht. Fotoshooting in der besonders schönen Altstadt. Seltsame bunte Cocktails zur Freiluftgitarre, Geschichten über asthmakranke Erpel, die in der Lüneburger Heide vorwiegend Österreicher anfallen und mühsames Treppensteigen ins Bett im 4. Stock der „Altstadtwiege”.

Moto Guzzi Motorradtour Lüneburger Heide

Es führt ein Weg nach Nirgendwo und genau dort begegnet dir vielleicht die Heidekönigin.

Moto Guzzi Motorradtour Schloss Marienberg, Hannover

Tag vier bringt strahlende Sonne und Niedersachsen, endlose Alleen sowie das neugotische Schloss Marienberg von Ernst August von Hannover im Wald von Pattensen bei Hildesheim. Das Welfenschloss ist leider wegen Schimmelbefall geschlossen –  kein Wunder, wenn der Durchlauchte dauernd an die Wände zu pullern beliebt. Also bleibt nur der Park, in dem Traugott und Elisabeth ihre Parodie eines Ernst Alfred von und zu Habenichts und seiner Muse Susi als Freilufttheater im schlößlichen Park uraufführen. Prädikat: durchaus sehenswert, das Schauspiel hätte sich mehr Zuschauer verdient. Szenenwechsel, wie er härter nicht sein könnte: Bergen-Belsen, das ehemalige Kriegsgefangenenlager der deutschen Wehrmacht, die bis heute für ihren Umgang mit den vorwiegend russischen Gefangenen nicht zur Rechenschaft gezogen wurde.

 

Erneuter Szenenwechsel: die Lüneburger Heide im weichen Licht des späten Nachmittags zeigt sich von ihrer Schokoladenseite. Den passenden Kuchen dazu gibt es in Müden bevor der Tag in das Grande Finale übergeht: kilometerlange Alleen durch die Heide bis nach Lüneburg und bei wenig Verkehr kreuzen wir durch St. Pauli, bis die österreichische Kathi und die italienische Guzzi im Premier Inn am Millerntor festmachen, unserem Heimathafen für die nächsten Tage. Wenige Schritte entfernt vom sündigen Teil der Stadt.

Moto Guzzi Motorradtour Hamburg Landungsbrücken

Nächtlicher Blick von der Elphi auf die spektakuläre Hamburger Nacht.

2. Satz oder: Hamburg und die Entführung der Fritteuse

Moto Guzzi Motorradtour Hamburg Portugiesenviertel

Hamburg, mein Hamburg. Landungsbrücken. Gegenüber Dock 11 der Blohm und Voss Werft. Genau dort lag 1980 die legendäre Viermastbark „Sea Cloud”, Arbeitsplatz und Heimat für die wohl aufregendsten Monate meines Lebens. 45 Jahre später und die Hansestadt pulsiert immer noch ihr Leben zwischen den Extremen: der Hafen mit seinen Krankraken, die täglich tausende Container aus den Schiffsbäuchen holen und verstauen, eine Reeperbahn, die ihren Glanzzeiten nachtrauert, die immer noch durch eine klapprige Holzwand von der Welt abgeschirmte und für Frauen verbotene Herbertstraße, das anarchische Schanzenviertel mit all seinen Graffitis und pulsierender Kreativität, die schneeweißen Luxusvillen von Joop, Lagerfeld, Otto & Co, die Botschaften und Konsulate aus aller Welt mit ihren Parks an Außen- und Binnenalster, die teuren Pflaster von Mönckebergstraße und Jungfernstieg, die Heimatlosen unter den S-Bahn Brücken, der alte Elbtunnel mit seinem legendären Lastenlift… 

Moto Guzzi Motorradtour Hamburg Containerhafen

Neu gegenüber früher ist der Luxus, der die ehemalige Speicherstadt überzieht. Neu sind die vielen Museen, Galerien und Theater rund um den Hauptbahnhof mit seiner Bahnhofsmission. Neu sind die Containerschiffe, die mittlerweile über 400 m messen, und neu ist die Elbphilharmonie, die den Wellenschlag der Elbe in den Fluss zurück spiegelt. Für mich neu – aber auch schon wieder 25 Jahre alt – ist die Pizzeria von Luigi im Portugiesenviertel, der uns schon beim zweiten Besuch als alte Freunde begrüßt und ungefragt die Grappa-Flasche auf den Tisch stellt. Und unten, am Ende der Hafenstraße findet sich, wenn gerade mal nicht an der TV-Show „Inas Nacht” gedreht wird, ein gemütliches Plätzchen im Schellfischposten, Hamburgs ältester Seemannskneipe. 

Gernot Stadler (links) mit Hartmut Mittag (rechts)

Ebenfalls Tradition sind die städtischen Schwäne, die vom dafür abgestellten städtischen Schwanenvater „bedüddelt” werden – denn die Legende sagt „Geht’s den Schwänen gut, geht’s Hamburg gut”. Und auch uns geht’s gut, als Freund Hartmut die Bühne betritt. Ich kuschle ausgiebig mit dem besten Smutje der Welt, der mich einst auf einer Atlantiküberquerung mit dem Dreimaster „Thor Heyerdahl” bekocht hat, damit ich nicht von den Gräten falle. Und eben dieser Hartmut entführt uns jetzt mit verwegenem Fahrstil in den kulinarischen Geheimtipp Hamburgs: die überfüllte Baracke nennt sich Veddeler Fischgaststätte, die Fritteuse aus den 30er Jahren heizt das Öl ein paar Grad mehr als heute üblich und das coolste Menü der Stadt heißt Backfisch mit Kartoffelsalat. 

Und so besichtigen, bestaunen, essen, trinken und lachen wir uns dem Höhepunkt der Reise entgegen, und ich übergebe hier an dieser Stelle an unseren Klassikfan und Kunstfreak Traugott, der uns in den 3. Satz eines Elphi-Abend mitnimmt, der sich zum spektakulären Ereignis entwickeln sollte.

Moto Guzzi Motorradtour Hamburg Elphi

Elbphilharmonie ist dort, wo sich einzigartige Architektur mit gnadenloser Akustik trifft.

3. Satz oder: Paukenschlag und Freudentränen

Moto Guzzi Motorradtour Hamburg

Haben sich die Umwege auf unserer musikalischen Fährte gelohnt, die uns direkt in den Hamburger Hafen führt? Dort thront die Elbphilharmonie der Schweizer Architekten Herzog und de Meuron als riesiger funkelnder Edelstein über dem Kaispeicher. Sie ist das neue Wahrzeichen der Hansestadt – von den Hamburgern liebevoll Elphi genannt. 

 

Zehn Jahre Bauzeit, eine Kostenexplosion von 77 auf 866 Millionen, Deutschlands spektakulärstes Konzerthaus, ein Haus der Superlative und in seiner Optik der Blickfänger schlechthin. Die Elphi ist ein Publikumsmagnet der Sonderklasse mit einer Auslastung von 98 Prozent und damit weltweit Spitze (das bescheidene Statement der Hamburger). Konzertkarten ein Rarissimum. Wir haben welche, blitzartig zugeschlagen. Zwei Tage später war das Konzert ausverkauft. Damit soll ein langgehegter Wunsch in Erfüllung gehen: nach meinem ersten Beschnuppern der Architektur 2018 will ich nun die Live-Atmosphäre im Großen Saal auskosten, die Optik und die Akustik in mich aufsaugen, von der die Fachpresse schreibt, dass sie gut ist, aber auch gnadenlos. Der große Saal – 40.000 m3 für 2100 Besucher – wurde erbaut im Weinberg-Prinzip. Die Bühne in der Mitte und terrassenförmig aufsteigende Zuhörerränge ringsum sollen auch heute für eine perfekte Klangkulisse sorgen die begeistert!

Und wie! Wahre Begeisterungsstürme lösen die gefeierte Cellistin Julia Hagen (mit Lustenauer Wurzeln!) und das Concertgebouworkest Young aus Amsterdam unter dem mit gestenreichem Einsatz präzise geführten Dirigats von Elim Chan aus. Erst hüllt uns Edward Elgars berühmtes Cellokonzert in eine Klangwolke voll tragischer Stimmung, dann erklingt die wilde Kraft von Schostakowitschs Fünfter Symphonie mit seiner versteckten Anklage gegen Stalins Gewaltregime. Resümee: ein jugendlich erfrischend aufspielendes Orchester - brillant, energiegeladen und mitreißend; eine Solistin, die mit ihren Qualitäten brilliert - Wärme, Vitalität und Mut zum Risiko; sowie eine aus Honkong stammende Dirigentin, die es fabelhaft versteht mit bloßen Händen endlose Klangbilder zu formen und ihre Jungmusiker zur Bestform zu pushen.

Das Publikum tobt, minutenlang Standing Ovations. Zum Abschied fließen die Tränen bei vielen der jungen Musiker. Sie sind über sich selbst hinausgewachsen. Man liegt sich in den Armen. Was für ein Bild. Es gibt Momente, wo aus Musik Magie entsteht. Danke, das ist so einer und so schweben auch wir hinaus in die Nacht und feiern das Highlight unserer Tour ein weiteres Mal bei Luigi und einer ausgezeichneten Flasche Primitivo aus Puglia.

Hochkultur zwischen Gartenzwergen im Park vor dem Bayreuther Festspielhaus.

4. Satz oder: Parsifal und der Flug nach Süden

Moto Guzzi Motorradtour Berlin

Der Tag danach beginnt vor der Davidwache auf der Reeperbahn, in der frühmorgens dieselben Toten Hosen herrschen wie auf der gesamten Reeperbahn – ein letztes Gruppenselfie zum Abschied von Hamburg und vor dem Aufbruch nach Berlin. Die Hauptstadt empfängt uns bei unterkühlten 19° C. Nächstes Selfie vor dem Brandenburger Tor, und dann noch eines vor dem Bundestag und dann weiter in die ein wenig überrenovierte ehemalige Kaiserstadt Potsdam. Dort erklärt uns der Taxler auf der Fahrt vom Hotel zum Weinfest, das schon eine Woche dauert, dass Rote und Grüne an allem schuld sind und dass einst der Gröfaz hier zum Reichskanzler „geheilt” wurde.

 

Szenenwechsel. Kathi und die rote Göttin tauchen ein in den rustikalen Charme des Ostens, hetzen auf der A9 stramm nach Süden bis zur E2, der längsten Bundesstraße Deutschlands, Fotostopp in der ehemaligen geistigen Hochburg Wittenberg, wo Martin Luther 1517 seine 95 Thesen an die Kirchentür genagelt hat. Ein paar Kilometer weiter das Kontrastprogramm: Ferropolis, der Ort der riesigen Eisenmonster, die im Tagbau einst weite Teile der Gegend aufgerissen haben. 

Moto Guzzi Motorradtour Chemnitz, Karl Marx Statue

Leipzig wird großräumig umfahren, Chemnitz bietet als europäischer Kulturhauptstadt 2025 neben drei ausgebuchten Hotels nur den übergroßen Karl Marx Eisenschädel als Fotomotiv und so bleibt uns nur die Flucht ins Erzgebirge über. Die Sonne steht schon tief als wir ein Dorf nach dem anderen nach einer Herberge abklappern. Freundliche Menschen überall wollen helfen, aber entweder sind die Gasthöfe gerade außer Betrieb oder sie bleiben wegen geschlossener Gesellschaften für uns geschlossen. Bereits im Dunkeln und bei erfrischenden 13°C werden die müden Krieger dann im „Blauen Engel” in Aue mit einem selbstgebrauten Gratis-Bier für Biker und einem Michelin besternten Schmorbraten für die nervenaufreibende Herbergssuche mehr als großzügig entschädigt.

Am nächsten Tag jagt ein Höhepunkt den nächsten: Das Frühstücks-Buffet der Reise. Der kuriose Weltraumbahnhof Rautenkranz zu Ehren des Dorfkosmonauten Sigmund Jähn mit einer echten Mig 21 auf dem Parkplatz. Jens Weissflogs Schanze in Wiesenthal. Den zweimaligen Grenzübergang nach Tschechien mit Knoblauchsuppe um € 3,20 in Eger und sportliches Fahren auf engen Landstraßen durch die reizvolle Hügellandschaft. Der Adler aus Mandello und seine österreichische Freundin fliegen nach Süden, der Heimat entgegen.

Moto Guzzi Motorradtour Bayreuth Konzerthaus Parsifal

Zurück in Deutschland dann der Kultur-Clash: Wohlbekleidete, gutbetuchte Opernbesucher in einer aufregenden Parfumwolke mischen sich vor dem Bayreuther Festspielhaus auf dem grünen Hügel unter drei Leder- & Textilkombis mit inzwischen deutlichem Odor der Prärie. Die Wege trennen sich alsbald: die schönen Kleider wenden sich Parsifal im Opernhaus zu, die Protektorenfracks machen sich über die E2 auf nach Nürnberg. Die Streckenführung über das Fichtelgebirge und die Fränkische Schweiz präsentieren sich fahrerisch als attraktivste Kurvenpartie der gesamten Reise. Das kurvenrauschige Grande Finale findet sein rülpsendes Ende bei Schäufele und Schweinshaxn in Nürnbergs „alte Küch’n”.  Szenenwechsel. Vom letzten Tag von Nürnberg nach Feldkirch gibt es wenig Aufregendes zu berichten. Der Abstecher zum Reichsparteitag mit einem Foto vom Balkon des Grauens muss sein. Später präsentiert sich dann als positive Überraschung das malerische Weißenburg mit seiner traumhaften Altstadt in mittelalterlicher Pracht und Pappenheim, nach Hameln ein weiterer Hotspot auf Traugotts Reiseliste, um dem Zitat „Ich kenne meine Pappenheimer” aus Schillers Drama Wallenstein Tod auf den Grund zu gehen. Zugegeben, wir haben keinen Grund gefunden, wie die Literaturverfilmung unten eindrücklich beweist:

Moto Guzzi Motorradtour Fichtelgebirge

Finale oder: das Ende vom Lied

 Nach über 2.368 km durch Deutschland sitzen wir in unserem heimatlichen Stammlokal, wo wir traditionell nach jeder Reise sitzen. Bikertreff „Werkstatt”, unsere gastronomische Heimat am Kreisverkehr: drei kleine Biere stehen auf dem Tisch, und es ist Zeit zum Reminiszieren:

  • Erstens, eine Deutschland-Tour im Sommer ist ein Geheimtipp, weil die meisten Germanen dann im Süden ihre Handtücher bewachen.
  • Zweitens, wo immer wir landeten, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen war überwältigend.
  • Drittens, größte Überraschung: die Disziplin auf den Straßen – deutsche Autofahrer machen überraschend bereitwillig Platz, sobald sie ein Motorrad im Rückspiegel sehen.
  • Viertens, Hamburg ist jeden Tag, jede Stunde und jede Minute eine Reise wert.
  • Und Fünftens, die virtuose Kombination von Zweizylinder, Orchester und Cello ist ein singuläres Erlebnis der konzertanten Extraklasse.