
Du nimmst einen alten Traum, füllst ihn mit einer Prise Internet und gibst noch ein wenig Karma dazu. Und schon steht er da, der dreibeinige Hund, schüttelt sich und knurrt und bellt und will mit dir spielen. Nach den ersten Kilometern auf dem 40-jährigen Guzzi-EML Gespann weisst auch du dann, dass es stimmt, was alle Seitenbiker seit hundert Jahren erzählen: du fährst das Schlechteste aus zwei Welten. Nachsatz: es macht unheimlich viel Spass!
Schuld am ungeplanten Familiennachwuchs ist Gianni, ein cooler Eidgenosse vom Zürisee. Er kaufte seinerzeit die Moto Guzzi 1000 SP mit ihrem EML Beiwagen aus einer Sammlung heraus mit dem Ziel, seinem Hund oder wenigstens seiner Frau eine Freude zu machen. Aber beide, der Hund und die Frau, hatten keinen Spaß damit und generell wollte Gianni doch lieber wieder an seinem Frisco-Chopper mit verkehrtem V2 Motor schrauben. Also schrieb er mir über das Internetz, dass der Dreibeiner aus Mandello zur Adoption steht.
Wie man einem historischen Schweizer Veteranen-Gespann zur österreichischen Staatsbürgerschaft verhilft, ist eine abendfüllende Geschichte, aber mit wenigen Worten erzählt: alles easy, wenn man geduldig eine Import-Export Lehre macht und jemanden kennt, der einen Gutachter kennt, der zufällig auch eine Moto Guzzi Sammlung hat und dazu noch jemanden kennt, der einen Anhänger hat, mit dem das Gespann von A nach B und C und D gekarrt werden kann. Am Ende spendierst du dem dreibeinigen Hund noch drei neue Firestones à 180,- EUR pro Stück, weil die alten schon 18 Jahre auf dem Buckel hatten und klebst das Guzzisti-Montfort Logo auf den Beiwagen. So einfach ist das. In der Theorie. In der Praxis kostet die legale Grenzüberschreitung natürlich etwas Zeit und viele Nerven und zusätzlich etwas Nerven und viel Zeit.
Der Import und die Anmeldung als historisches Gespann bringt dann aber auch einige Vorteile: die Einfuhr Umsatzsteuer aus einem Nicht-EU Land ist auf 7% reduziert, die Nova-Abgaben entfallen, und eigentlich braucht es lediglich ein Gutachten, das den ausländischen Status als historisches Fahrzeug bestätigt. Schwieriger ist die technische Typisierung in Österreich als historisches Fahrzeug, wenn nicht nachgewiesen werden kann, in welchem Jahr der Umbau des Motorrades zum Gespann erfolgt ist – da nützt es auch nichts, wenn im Schweizer Typenschein der Vermerk als Veteranen-Gespann eingetragen ist.
Nach Wochen des behördlichen Schriftverkehrs darf ich jetzt seit kurzem mit dem dreibeinigen Hund Gassi gehen. Ich habe gelernt, dass er auf langen Geraden vor Freude bellt, dass er gerne den Spurrillen auf dem Asphalt nachläuft und in Rechtskurven das Bein hebt. Anfangs habe ich mich gefragt, warum abends meine Schultern schmerzen. Aber das ist der Preis für den riesigen Spaß, den das Herumgeeiere macht sobald der Dreibeiner widerstrebend deinen Befehlen folgt.
Bereits nach wenigen Tagen lässt du im Stau die Füsse auf den Rasten stehen und findest kindisches Vergnügen darin, die Kreisverkehre zum Ärger der Vierbeiner mehrmals zu runden. Besonders positiv auf das Fahrverhalten wirkt sich dabei die EML Vorderradschwinge mit den inzwischen seltenen 125/15 Zoll Autoreifen (Ente!) aus. Ich persönlich liebe den Klang des wunderbaren Rundmotors mit seinen verchromten Ventildeckeln, ziemlich offenen Dellortos und noch offeneren Lafranconis.
Inzwischen gehören das Winken der Kinder, das Lächeln schöner Frauen und die leuchtenden Augen alter Männer am Straßenrand zum neuen Leben als Gondeltreiber. Beifahrerin Lisi hat ihrerseits bereits die Sitzposition im Beiwagen gelobt und macht sich schon ernsthafte Gedanken über Upgrades wie Reiseaschenbecher und Staufach für Sockenwolle samt Strickzeug. Und ich muss sagen, mit ihr als Ballast fährt sich das Gespann wesentlich neutraler als solo (wie im echten Leben)!
Heimlich habe ich ein Gespräch belauscht, in dem sie einer Freundin erzählt hat, dass sie nächstes Jahr im Beiwagen nach Sizilien fahren will. Leider muss ich meinen Aufsatz jetzt beenden: es hat aufgehört zu regnen und ich muss Gassi gehen mit meinem dreibeinigen Hund. To be continued.
Ein paar Tage später: ich habe die erste Rechtskurve überlebt, das erste Motorrad überholt, der Anlasser ist einmal hängen geblieben und das linke Spiegelohr hängt nicht mehr nach jeder Bodenwelle runter und der Hund ruckelt bei gleichmäßigen Geschwindigkeiten ab 90km/h – vermutlich sind die Gitter Benzinhühner ein bissele schmutzig. Und so ziehe ich nach den ersten 300 Kilometern folgende Zwischenbilanz:
Das 15 Zoll Vorderrad läuft immer noch jeder Bodenwelle hinterher. Der Hund lupft ohne Ballast im Seitenwagen sehr schnell das Bein in Rechtskurven, in Linkskurven bin ich schon mutiger geworden und spüre schon mit Freude, wie das Beiwagenrad über den Asphalt schmiert. Die Fuhre folgt übrigens wirklich aufs Wort dorthin, wo du hinschaust – d.h. höchste Konzentration, wenn die winkenden Jungfrauen am Straßenrand stehen.
Ich ertappe mich dabei, wie ich auf dem Weg zum Ziel immer wieder leer stehende Parkplätze aufsuche, um ein paar Achter zu fahren. Mit dem Gewackel ist es auch schon besser geworden, seit ich nicht mehr so verkrampft am Lenker ziehe. Auch die Bremserei mit dem Fuss, die auf alle drei Räder wirkt, hält das Gespann erfreulich in der Spur.
Mein Tempo-Schnitt ist noch nicht wirklich hoch, zu groß ist der Respekt vor der Gespanntreiberei und zu gering sind noch die Automatismen, um so ein Gerät virtuos zu bewegen. Aber immerhin, wir haben einen vielversprechenden Anfang gemacht der dreibeinige Guzzihund und ich, und ich sage mir immer wieder, musikalisch untermalt von den Lafranconis mit 94 db: „prenditi il tuo tempo”, es sind schon allzu viele Meister vom Himmel gefallen...